Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

5. Kapitel. Das Tarifwesen. 335 
schaftlichen Verhältnisse nicht selten in erheblichem Mabe. Der letztere 
Nachteil läßt sich vermindern, wenn die Entscheidung über die Zu- 
lassung von Ausnabmetarifen an einer Stelle vereinigt ist, So daß ein 
Ausgleich zwischen den verschiedenen Bezirken ermöglicht werden kann. 
Der erstere Nachteil läßt sich einschränken, aber ohne starres Festhalten 
an den Regelsätzen nicht ganz beseitigen. Die Rücksicht auf die wirk- 
Ssame Unterstützung der Erwerbstätigkeit des Volkes muß schlieblich 
überwiegen gegenüber den äuberlichen Gesichtspunkten. Eine voll- 
ständige Starrheit des Tarifwesens, die eine Anpassung an dringende 
volkswirtschaftliche Bedürfnisse unmöglich machen würde, mühte jeden- 
falls als das größere Ubel angesehen werden. 
Als eine besondere Form der Ausnahmetarife erscheinen die Güter- 
zug- oder Extrazugtarife, d. h. besonders billige Tarife, die bei gleich- 
zeitiger Aufgabe der Ladung für einen ganzen Zug gewäbhrt werden. 
Solche Tarife können z. B. für die Kohlenversendung aus dem Kohlen- 
bezirke nach wichtigen Absatzgebieten in Betracht kommen. Dabei ist 
Zuzulassen, daß die verschiedenen Zechen ihre nach der gleichen Bahn- 
stelle gehenden Sendungen zu einem Zuge vereinigen. Das Bedürfnis 
des Betriebsdienstes erfordert übrigens, daß solche Züge in gewissen 
Zeiten regelmäßig wiederkehren, 2. B. alle Wochen an bestimmten Tagen, 
damit die Verfügung über die Benutzung der Strecke sich rechtzeitig 
darauf einrichten kann. Für Stückgüter kommen solche Tarife nicht in 
Betracht; es lassen sich an größeren Plätzen wohl regelmäbig Wagen- 
ladungen, aber doch nur selten ganze Züge für Stückgüter zwischen 
bestimmten Bahnstellen in regelmäbiger Wiederkehr zusammenstellen. 
Nur für die Erzeugungsbezirke der Massengüter können die Güterzug- 
tarife eine größere Bedeutung erlangen. 
Zu den Abweichungen von den regelmähigen Tarifsätzen gehören 
weiterhin die Zeittarife oder „Saisontarife“, die für bestimmte Zeitab- 
schnitte des Jahres den Verkehr besonders verbilligen. Derartige Tarife 
können namentlich dann in Frage kommen, wenn der Verkehr gleich- 
mäbiger auf die einzelnen Jahreszeiten verteilt, also in den sonst stilleren 
Zeiten durch billige Frachten angelockt werden soll. Allzugrobß wird der 
Erfolg nicht sein, da die Häufung des Verkehrs in bestimmten Zeiten 
nicht einfach vom Willen der beteiligten abbängt. Oft haben Privat- 
bahnen solche Tarife eingeführt, um von Wasserstrahen, die dieselben 
Punkte wie die betreffende Bahn verbinden, den Verkehr während be- 
stimmter Jahreszeiten ab- und der Bahn zuzulenken. Obne sehr starke 
Ermäßigung der Sätze wird das Bemüben freilich in der Hauptsache 
vergeblich sein. Nachteilig ist an den Saisontarifen, daß sie ein hbäu- 
figeres Wechseln der Frachten innerhalb des Jahres herbeiführen und 
leicht zu Willkürlichkeiten Anlaß geben. 
Eine andere Abweichung stellen die schon erwähnten Richtungstarife
	        
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