5. Kapitel. Das Tarifwesen. 337
Sie hnähern sich mehr den Ausnahmetarifen, soweit diese besonders die
gleichzeitige Aufgabe grobßer Mengen begünstigen. Diese Tarife können
unter Umständen aus ähnlichen Gründen berechtigt sein wie die Aus-
nahmetarife trotz der vorbezeichneten allgemeinen Bedenken. Dagegen
sind unbedingt zu verwerfen alle gebeimen Frachtnachlässe (Refaktien).
Diese Begünstigungen setzen an die Stelle gleichmäßiger Behandlung
der Verkebrtreibenden willkürliche und deshalb bedenkliche Bevorzugungen.
Bei den englischen und amerikanischen Bahnen sind sie gleichwohl sehr
häufig vorgekommen, baben aber auch anderswo nicht gefehlt. In Deutsch-
land sind sie unbedingt untersagt, auch im internationalen Eisenbahn-
verkehr der Festlandsstaaten sind sie laut Art. 11, Abs. 1 des inter-
nationalen Ubereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr vom
14. Oktober 1890 „verboten und nichtig“. Staatsbahnen müssen auch
in dieser Beziehung die Staatsbürger mit gleichem Maße messen, und
selbst die Rücksicht auf den internationalen Wettbewerb kann gebeime
Frachtnachlässe durch die Staatsbahnen nicht rechtfertigen.
Viel besprochen ist die Frage der unterschiedlichen Tarife
(„Differenzialtarife"), die in Deutschland seit Ende der 50er Jahre auftauchte
und 1872 zu eingehenden Verhandlungen eines Reichsuntersuchungsaus-
schusses Veranlassung gab. Bei der ganzen Erörterung der Frage hat sich
eine bedenkliche Unklarheit über den Begriff des unterschiedlichen Tarifs
geltend gemacht, die dazu geführt hat, daß man viele Tarifarten in Bausch
und Bogen mit verdammte oder rechtfertigte, auf die sich die den unter-
schiedlichen Tarifen gemachten Vorwürfe überhaupt nicht beziehen konnten.
Unterschiedliche Tarifierung im weitesten Sinne des Wortes ist jede
ungleichmäßige Tarifierang. Alles, was von einer völlig gleichen Be-
handlung der Versender abweicht, gehört hierher, d. b. das ganze vor-
bandene Tarifwesen. Enger gefaßt bezieht sich der Begriff auf die
Festsetzung ungleicher Frachtsätze für die gleiche Menge gleicher Gegen-
stände auf gleiche Entfernung, entweder in demselben Tarife oder in
verschiedenen Tarifen. Hierher gehören z. B. alle Tarife mit ver-
schiedenen Einheitssätzen für die Längeneinheit bei verschiedenen Be-
förderungsstrecken oder mit geringeren Sützen für größere Gewichtsmengen
usw. Die wichtigeren hierher gehörigen Formen sind bereits besprochen.
Im allerengsten Sinne wird der Begriff bezogen auf den Fall, daß
auf derselben Linie der Gesamtfrachtbetrag für die gleiche Menge
gleichen Gutes nach einer weiteren Bahnstelle geringer ist als nach
einer nähern. Diese Erscheinung wird auch mit dem Namen „Fracht-
disparitätt bezeichnet, d. h. zu deutsch ohne Beschönigung: Frachtun-
gereimtheit. Nur in diesem engsten Sinne kommt die unterschiedliche
Tarifbehandlung hier in Frage. Fast alles, was man gegen diese ein-
gewendet, pabßt eigentlich nur auf die Frachtungereimtbeiten.
Eine solche Frachtungereimtheit ist z. B. vorhanden, wenn Güter
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