5. Kapitel. Das Tarifwesen. 343
bemessung nach dem Werte der Güter entspricht. In der Tat sind die
höheren Wagenklassen und Fahrgelegenheiten nur den leistungsfähigeren
Personenkreisen zugängig, nur daß diese in der Regel nicht wie die
Güter auf Grund ihrer allgemeinen Einreihung in die Wertklassen von
vornherein bahnseitig bestimmten Wertklassen zugewiesen sind, sondern
selbst die Wertstufe wählen, in der sie befördert werden wollen. Eine
Beschränkung dieser Freiheit liegt insofern vor, als bestimmte Züge nicht
alle Wagenklassen führen. Die höheren Frachtsätze für wertvollere
Güter führen in der Regel zu günstigeren Einnahmen für die Bahnver-
waltung, da die Selbstkosten nicht entsprechend steigen. Für die oberen
Personenklassen trifft das nicht zu, da hier die Selbstkosten wesentlich
böher sind als in den niederen. Uberdies ist hier die Ausnutzung der vor-
handenen Leistungsfähigkeit nach dem eingangs ausgeführten viel geringer.
Im ganzen ist, wie gezeigt, diese Ausnutzung im Personenverkehr
überhaupt sehr gering und hat nennenswerte Fortschritte nicht gemacht.
Das bängt nicht nur mit der noch zu besprechenden Art, die Entfernung
zu berücksichtigen, sondern auch mit der Tatsache zusammen, dabß die
Personenfahrpreise weit weniger als die Gütertarife ermähßigt Sind. Die
ersten Eisenbahntarife für den Personenverkehr sind den Tarifen der
Personenpost nachgebildet und desbalb wie diese als einfache Ent-
fernungstarife ausgestaltet und mit ähnlichen Sätzen versehen. Die
Machtstellung der Eisenbahnen im Personenverkehr hat dazu geführt,
daß die anfänglich hohen Sätze auch späterhin sehr wenig ermäßhigt
wurden. In Deutschland war der Postfahrpreis 6 Silbergroschen für
1 Meile oder rund 8 Pf. für 1 km und Person. Die preubischen Staats-
bahnen erhoben 1853 für 1 Person und Meile in der I. Klasse 6 ½,
zum Teil 7 Silbergroschen, in der II. Klasse 1½2 Silbergroschen, in der
III. Klasse 3 ½ Silbergroschen; das gibt für 1 Person auf 1 km in der
I. Klasse 82/#3 bis 9½ Pf., in der II. Klasse 6 Pf., in der III. Klasse
4⅝ Pbf. Bei Einführung der Markwährung wurden die Sätze um-
gerechnet auf 8 Pf., 6 Pf. und 4 Pf. bei Personenzügen und auf 9 Pf.,
6/ Pf. und 42/3 Pf. bei Schnellzügen, und in dieser Höhe sind die
Sätze bis zur Tarifünderung von 1907 bestehen geblieben.
Diese Starrheit in der Höhe der Personenfabrpreise würde viel fübl-
barer geworden sein, wenn nicht durch zablreiche Abweichungen von
den regelmäßigen Sätzen vielfach ein billigerer Verkehr ermöglicht
worden wäre.
Hierher gehören zunächst die allgemeinen Ermäßigungen für Sol-
daten und Kinder, sowie die billigen Arbeiterkarten für den Verkehr
zZwischen bestimmten Bahnstellen, oft nur für bestimmte Züge ausgegeben.
Die Berücksichtigung der geringeren Leistungsfähigkeit, die hierin liegt,
kommt auch bei den ermäbßigten Tarifen für Badereisen von mittellosen
Personen, von Zöglingen der Blindenanstalten usw. zum Ausdruck.