348 III. Abschnitt. Der Eisenbahnverkehr.
bahnen, bei denen in der Regel von einer Klasseneinteilung abgesehen
wurde, handelt es sich nur um kurze Strecken und Fahrzeiten, und
überdies stehen dem wohlhabenden auch andere Beförderungsmittel zur
Verfügung, wenn er nicht in der allgemeinen Klasse Platz nehmen will.
Auf lüngeren Eisenbahnfahrten febhlt diese letztere Möglichkeit ganz,
und außerdem macht sich bier, weil die Fahrzeit länger dauert, die ver-
schiedene Gewöhnung an Bequemlichkeit und Annehmlichkeit stärker
geltend. Es liegt an sich kein Grund vor, dem Reisenden, der eine größere
Bequemlichkeit gegen einen höheren Preis verlangt, eine besser aus-
gestattete Fahrgelegenheit zu verweigern.
Zu einer vollständigen Einheitlichkeit wird es also in dieser Be-
ziehung schwerlich kommen. Im übrigen ist der Gedanke einer Ver-
minderung der Klassen an sich berechtigt, wenn man eine bessere
Wagenausnutzung anstrebt. Nur wird man nicht gerade die für den
Personenverkehr so wichtige IV. Wagenklasse abschaffen dürfen, falls
man nicht den beteiligten Volkskreisen in der III. Klasse zu den bis-
herigen Preisen Beförderung gewähren will, auch für das hier meist sehr
umfangreiche und schwere Handgepäck. Viel eher könnte in Frage
kommen, die sehr schlecht ausgenutzte II. oder I. Klasse abzuschaffen
oder beide in eine Klasse zusammenzuziehen. Der Kreis der Personen.
die dadurch in ihren Reisegewohnheiten gestört werden würden, wäre
jedenfalls viel enger als der, den die Abschaffung der IV. Klasse treffen
würde. Im Vorortverkehr, im inneren Schnellbahnverkehr gibt es in
der Regel nur eine Polsterklasse. Im Fernverkehr wird das natürlich
schwerer zu erreichen sein, wenn man nicht in weit verbreitete Reise-
gewohnheiten eingreifen will. Der in England beschrittene Weg, die
II. Klasse abzuschaffen und dafür die III. Klasse besser auszustatten,
würde vieles für sich haben, ist aber — nicht nur in Deutschland —
einstweilen noch nicht im Einklange mit bestehenden Ansichten und Vor-
urteilen. Will man die I. Klasse abschaffen, so würde man erwägen
müssen, ob nicht Erwerbsgesellschaften gestattet werden soll, besser aus-
gerüstete Wagen gegen Entschädigung in die Züge cinzustellen und den
beteiligten gegen bestimmte Zuschläge darin Plätze anzuweisen. Da6ß
dies durchführbar ist, zeigt das Beispiel der Schlafwagen, der Pullman-
wagen usw.
In dem Fahrpreise für die Person war und ist vielfach die Ver-
gütung für die Beförderung des Reisegepäcks bis zu einer gewissen
Gewichtsgrenze mit eingerechnet. In Deutschland gewährten früher
die preußischen, sächsischen und oldenburgischen Staatsbahnen und
mehrere Privatbahnen 25 kg Freigepäck. Bei Uberfracht wurden kür
jede angefangenen 10 kg ein bestimmter Satz für 1 km erhoben, also
ein einfacher Entfernungstarif angewandt. In Dänemark, Norwegen
und Schweden werden 25 kg. in Rußland 1 Pud (16.1 kg), in Frank-