2. Kapitel. Entwickelungsgang. 363
soll ein Schiff durchgelassen werden, so öffnet man das Tor, und das
Schiff schießt mit dem durchströmenden Wasser binab.
Solche Anlagen traf man vornehmlich unterhalb einer seichten Stelle,
die auf diese Weise für die Schiffahrt unschädlich gemacht wurde. Der
Nachteil dieser Einrichtung besteht darin, daß größere Höhenunterschiede
wegen der für die Schiffe beim Durchlassen eintretenden Gefahr nicht
überwunden werden können, und daß auch die Bewegung der Schiffe
zu Berg dadurch nicht erleichtert wird.
Dem gegenüber erscheint die Kammerschleuse als ein sehr grober
Fortschritt. Sie besteht aus einer gemauerten Kammer, die einem oder
mehreren Schiffen Raum gibt und in der Längsrichtung des Flubßlaufs
liegt. Die Kammer ist an beiden Seiten durch dichte Stemmtore ge-
schlossen. Das untere Tore geht bis auf die Sohle der unteren Strom-
strecke hinab. Soll das Schiff zu Berg geschleust werden, so wird das
obere Tor abgeschlossen und das untere geöffnet. Auf diese Weise
stellt sich der Wasserspiegel in der Kammer mit dem der unteren Strom-
strecke gleich. Das Schiff kann also bequem in die Schleusenkammer
einfahren. Ist das geschehen, so wird das untere Tor geschlossen und
aus der oberen Stromstrecke das Wasser langsam eingelassen, bis der
Wasserspiegel in der Kammer ebenso hoch ist wie derjenige der oberen
Stromstrecke. Alsdann wird das obere Tor geöffnet und das Schiff
kann in die obere Stromstrecke hineinfahren. Soll das Schiff zu Tal
geschleust werden, so vollzieht sich die Arbeit in umgekehrter Rei-
henfolge.
Der Vorteil liegt auf der Hand. Man kann ohne Gefährdung der
Fahrzeuge viel gröhere Höhenunterschiede überwinden, als mit der ein-
fachen Durchlabschleuse. Man kann weiter den Schiffen auch die Uber-
windung des Höhenunterschiedes bei der Bergfahrt in bequemer Weise
möglich machen. Eine wirkliche Kanalisierung der Flüsse war erst auf
diese Weise möglich, und seit dem 17. Jahrhundert sind in England
und den Festlandstaaten nicht wenige Stromstrecken selbst mit sehr
ungünstigen Wasserstandsverhältnissen mittels der Kammerschleuse ka-
nalisiert worden,
Die Erfindung der Kammerschleuse wird häufig dem holländischen
Ingenieur SlON StEvIN zugeschrieben und in das Jahr 1618 verlegt.
Nach andern soll schon 1220 bei Amsterdam eine Kammerschleuse ge-
baut sein. 1253 soll Graf WIrHFLMA die Erlaubnis zur Anlegung einer
Kammerschleuse bei Spaardam erteilt haben. Mit Sicherheit ist aber die
Kammerschleuse erst Mitte des 15. Jahrhunderts nachzuweisen und 1452
von LEON BATTISTA ALBEHKTI genau beschrieben. Sie wurde vereinzelt
schon im 16. Jahrhundert angewandt, fand aber erst seit dem 17. Jahr-
hundert ausgedehntere Anwendung bei der Verbesserung der Flüsse,
und das erklärt sich leicht aus der schon erwähnten Tatsache, dabß