384 IV. Ahschnitt. Der Wasserverkehr.
Denn diese Städte, inmitten der damaligen Kulturwelt belegen, waren
die naturgemäßen Vermittler des Warenzugs von und nach dem Osten.
Als Sie der Seeräuberei einigermaben Herr geworden waren, blübte der
Sechandel von Amalfi, Venedig, Genua, Pisa, Florenz mächtig auf. Ve-
nedig und Genua insbesondere gelangten zu hoher Bedeutung, bekämpften
sich aber gegenseitig, und nach den großben Entdeckungen Ende des 15.
und Anfang des 16. Jahrhunderts ward auch ihnen die fübrende Stellung
im Weltverkehre zur See entrissen. An der spanischen Ostküste batte
sich Barcelona zu einem wichtigen Seehandelsplatz entwickeln können.
Die Seeschiffahrt im Altertume und Mittelalter beschränkte sich
nach dem gesagten in der Hauptsache auf das Mittelmeer- und Ostsee-
becken, also auf die wichtigsten europäischen Binnenmeere und die
nächstgelegenen Gebiete. Die Küstenschiffahrt stand dabei im Vorder-
grunde, da die Hilfsmittel der Pfadfindung auf dem Meere und die dazu
erforderlichen Kenntnisse noch wenig entwickelt waren. Ganz haben
sie natürlich nicht gefehlt. Völlig befreit aus der Abhängigkeit von der
Küste konnte die Schiffahrt nur durch das Aufkommen des Kompasses
(oder der „Bussole“) werden, und dieses Hilfsmittel wurde erst im
späteren Mittelalter der europäischen Schiffahrt dienstbar gemacht.
Uber der Erfindung des Kompasses schwebt noch manches Dunkel.
Als Erfinder des Kompasses gilt vielfach der Lootse FAVIO GloA aus
Amalfi, der die Erfindung 1302 gemacht haben soll. Das wird aber
von vielen Seiten bestritten. FLAVO GlOA scheint die beutige Kom-
paßform durch Verbindung einer papiernen Windrose mit der bis dabin
auf einem Kork schwimmenden oder vielleicht bängenden Kompahbnadel
aufgebracht zu haben. Windrose und Kompafßß selbst sind aber AHlter.
Man nimmt häufig an, daß die Chinesen schon sehr frühzeitig. angeb-
lich schon im 3. Jahrhundert nach Cbr. — nach anderen sogar schon um
1100 vor Chr. —, den Kompaß gekannt haben, und daß er von ihnen
über Arabien nach Syrien gedrungen sei, von wo ihn dann die Kreuz-
fabrer nach Europa gebracht hätten. Nachzuweisen ist das nicht, da
über den Gebrauch des Kompasses in der chinesischen Seefahrt vor dem
Ende des 13. Jahunderts nach Chr. zuverlässige Nachrichten nicht vor-
liegen. Bei den Angaben über das hobe Alter des Kompasses scheint
die Kenntnis des Magneten als sochen nicht genügend von der Kenntnis
der Nordweisung (oder Polarität) der Magnetnadel getrennt worden zu
sein. Erst die Bekanntschaft mit der Nordweisung konnte einen der See-
fahrt dienlichen Kompabß entstehen lassen. Die Nordweisung der Magnet-
nadel ist im 11. Jahundert schon bekannt gewesen, und die Verwertung
dieser Kenntnis bei den europäischen Seefahrern dürfte für das 12. Jahr-
hundert schon vorauszusetzen sein, allerdings noch in unvollkommener Form.
Die Auffindung einer verbesserten Form und die Verbreitung ihres Ge-
brauchs in der Seefahrt gehören einer späteren Zeit an, und es dauerte