2. Kapitel. Entwickelungsgang. 385
noch geraume Zeit, bis man es wagte, mit Hilfe des Kompasses das
Weltmeer zu durchfabren.
Gegen Ende des Mittelalters debnten sich mit Hilfe des Kompasses
die Fahrten namentlich der Portugiesen und Spanier mehr und mehr
aus, und von ihnen sind denn auch die großben Entdeckungen ausgegangen,
die eine so wesentliche Umgestaltung bewirkten.
Bei den Portugiesen hatte der PNz HEINRG „der Seefahrer“, der
Gründer der ersten Sternwarte und Seemannsschule und damit der
eigentlichen Seewissenschaft, den Boden vorbereitet und eine Reihe von
Entdeckungsfahrten nach der afrikanischen Westküste veranlaßt. Nach
seinem Tode (1460) wurden diese Fahrten fortgesetzt; ihre Haupterfolge
sind die Auffindung der afrikanischen Südspitze, des „stürmischen Vor-
gebirges“ (von JoldNN II. Kap der guten Hoffnung genannt) durch
BARTOLOMEO DIAz 1486 und die Entdeckung des Seewegs nach Ost-
indien durch Vasco De GANA 1498. Einen neuen Handelsweg nach
Indien zu suchen, lag seit der Eroberung Konstantinopels durch die
Türken im Zeitbedürfpisse, da der bisherige wichtigste Weg — über
Kleinasien — jetzt dem Handel der europäischen Mittelmeerstädte nicht
mehr benutzbar war. Portugal trat so in die Reihe der bedeutendsten
See- und Handelsmächte jener Zeit ein, und der Handel mit den ost-
asiatischen Gewässern lag für längere Zeit in seiner Hand, bis es dem
benachbarten Spanien erlag.
Spanien selbst verdankte seine Stellung als Seemacht den 1492
begonnenen Entdeckungsfahrten des Genuesen CinlsroPH CoLUMU, die
zwar nicht das gesuchte Indien, wohl aber eine neue Welt in den Kreis
der Entwickelung hineinzogen. Amerika wurde der neue Erdteil zuerst
1520 auf den Karten genannt, auf Veranlassung von WArDsEENLULLER, der
1507 die Berichte über die Reisen des AuERIGO VEsSPVGCG.L veröffentlicht
hatte. Die neue Welt lieferte Spanien grobe Mengen von Edelmetallen,
also von Geldstoff, und Spaniens Aufblühen stützte sich vorzugsweise
auf diesen seinen großen Besitz an Edelmetallgeld, das ohne den Besitz
ergiebiger Bergwerke dem Lande zu verschaffen das Ziel der merkanti-
listischen Wirtschaftspolitik war. Spanien erschlaffte aber verhältnis-
mäbßig früh. Seine Tätigkeit zur See trat bald zurück binter derjenigen
der Holländer, die sich mit Eifer und Erfolg auf den internationalen
Handel warfen und diesen durch zahlreiche Handelssiedelungen in den
verschiedensten Teilen der alten und neuen Welt stützten. Eine Zeit
lang, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, konnte Holland als die
erste Seemacht der Erde gelten. Diese Stellung wurde ihm dann aber
streitig gemacht und ganz entwunden durch Grohbbritannien, das seit der
angelsächsischen Besiedelung schon die Schiffahrt pflegte, zu größerer
Bedeutung aber erst durch ErlsahEr (1558—1603) erboben wurde. Sie
brach die herrschende Stellung der Hanseaten im englischen Handel und
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