2. Kapitel. Entwickelungsgang. 391
ins Binnenland hinein. Es bandelt sich dabei zunächst um Sechäfen,
die an den Mündungen grober Ströme, aber in größerer oder geringerer
Entfernung von der Küste liegen und deshalb das den heutigen An-
forderungen nicht mehr genügende Fahrwasser zu vertiefen bemüht sind,
was vielfach geschehen ist. Weiter aber dreht es sich auch um tiefer
im Binnenlande gelegene Städte, die als Sechäfen keine Rolle mehr
spielen oder nie gespielt haben. Diese letztere Art von Bestrebungen
ist bezeichnend für das gesteigerte Bedürfnis nach billigstem Massen-
verkehr. Was man durch solche vorgeschobene Seestraben, seien es
vertiefte Unterläufe von Flüssen, seien es eigentliche Kanäle, erzielen
will, ist die Ersparung der Umladekosten und die Dienstbarmachung
der billigen Seefahrt, mit der sich keine andere Beförderungsart in dieser
Himsicht messen kann, für einen gröberen Teil des Binnenverkehrs.
Der Gedanke hat für viele etwas 8o Uberraschendes, daß sie ihn von
vornherein für undurchführbar erklären. Die Durchführbarkeit muß
natürlich in jedem einzelnen Falle erst von berufenen Technikern unter-
sucht werden; sie allgemein zu leugnen, ist unberechtigt. Die grobe
wirtschaftliche Bedeutung eines tieferen Eindringens der Seeschiffe in
das Binnenland kann jedenfalls an sich nicht in Zweifel gezogen werden.
Wie sich im Einzelfalle die Verbältnisse gestalten werden, mu natürlich
steig geprüft werden. Ein Kanal der hierher gehörigen Art ist der
18 eröffnete Manchester-Ship-Kanal, der den Seeschiffen die Fahrt
bis Manchester ermöglicht. Vorher hatte Manchester seine Robstoffe
(besonders Baumwolle) über Liverpool zu beziehen und seine Erzeugnisse
von dort aus zu versenden. Drei Eisenbahnen, ein Kanal und die Flüsse
Irwell und Mersey vermittelten den Verkehr zwischen beiden Städten, und
doch war das Bedürfnis nach einer Seestraße zwischen Liverpool und
Manchester so grobß, dabß man trotz aubBerordentlicher technischer Schwierig-
keiten mit dem aus Privatmitteln zusammengebrachten Kapital von
160 Mill. M. seit 1887 an den Bau ging.
Allerdings bedurfte es noch des Einspringens der Stadtverwaltung
von Manchester, die 100 Mill. M. vorschoh und einer Anleihe von
48 Mill. M. in Vorzugsschuldverschreibungen, um das Werk zu voll-
enden. Die Aktienbesitzer sind allerdings in ihren Erwartungen auf
Verzinsung ihres Kapitals enttäuscht worden. Die Betriebskosten waren
207081 Pfd. St., 1909: 267 384 Pfd. St., die Roheinnahmen 1900:
290 830 Pfd. St., 1909: 534059 Pfd. St.; der Betriebsüberschuß also
1900: 83749 Pfd. St., 1909: 266675 Pfd. St. Das reicht nicht zur
vollen Deckung der Schuldzinsen, die sich durch neue Erweiterungs-
bauten noch gesteigert haben. Der Manchester-Ship-Kanal ist 57 km
lang, 7,9 m tief, 36,6 bis 57,7 m an der Sochle und 52,4—70 m am
Wasserspiegel breit.
Den Seezugang eines alten Hafens neueren Ansprüchen anzupassen,