2. Kapitel. Entwickelungsgang. 409
für diese Aufgabe hatte man gedacht. Aber erst dem Dr.-Ing. Orro
Schrick in Hamburg gelang es 1896, einen Schiffskreisel zu erfinden,
der eine Abhilfe versprach. Er besteht in einem wagerecht liegenden
Schwungrade, das auf einer senkrechten Welle befestigt ist. Die Welle
ist unten und oben in einem senkrechten Rahmen gelagert. Der Rahmen
kann sich um zwei Lagerzapfen drehend bewegen, die in der Mitte
seiner beiden Seitenteile so angebracht sind, dabß ihre Richtungslinie quer
durch das Schiff geht. Der Rahmen ist mit einer Bremsvorrichtung
versehen. Wenn sich das Schiff neigt, wird durch das Beharrungsver-
mögen des sich schnell drehenden Schwungrades der Rahmen ebenfalls
zu einer Drehung genötigt, kann aber infolge der Bremse diese Be-
wegung erst nach einiger Zeit vornehmen, sodaß sich inzwischen das
Schiff wieder aufzurichten begonnen hat. Dadurch treffen auf den
Rahmen zwei entgegengesetzte Kräfte, sodab keine der beiden Be-
wegungen ausgeführt werden kann, also der Rahmen und mithin das
Schiff ruhig liegen bleibt. Wiederholte Versuche haben die Wirksam-
keit der Vorrichtung erkennen lassen, und sie wurde zuerst auf dem
Dampfer Silvana der Hamburg-Amerika-Linie, dann auf dem englischen
Küstendampfer Lechiel angebracht und findet seitcem Verbreitung. Eine
andere neue Erfindung ist seit 1910 erprobt worden, nämlich der
Schlingertank, erfunden vom Werktdirektor HEnNANN FnhAHN in Ham-
burg. Zwei bordseits liegende Tanks, bis zur Hälfte mit Wasser gefüllt,
sind miteinander in ihrem unteren Teile durch ein U.förmig gebogenes
Rohr oder vermittelst zweier Schächte unmittelbar durch das Auben-
wasser verbunden und so abgemessen, daß ihre Eigenschwingungsdauer
mit der Schwingungsdauer des Schiffes annähernd übereinstimmt. Die
Rollbewegungen des Schiffes bleiben hinter den Wellen, durch die sie
erregt werden, um 900, die Schwingungen des Tankwassers hinter den
Rollbewegungen, durch die sie erregt werden, nochmals um 900 zurück
Deshalb arbeiten die Tankwasserschwingungen und die Wellen gegen-
einander, sodaß die Bewegungen des Schiffes durch das Schwingen
des Tankwassers fast ganz verhindert werden. Die Erfindung wurde
190 von der Hamburg-Amerika-Linie auf den Dampfern Tpiranga und
Corcovado verwertet, dann auf dem Reichspostdampfer „General“ der
Deutschen Ostafrikalinie. Für zahlreiche grobe Personendampfer ver-
schiedener in- und ausländischer Linien, auch für den schon erwähnten im
Bau begriffenen Imperator ist die Einrichtung in Aussicht genommen.
Da sie eine größere Schiffsbreite ermöglicht, schreibt man ihr auch für
die Frachtdampfer eine große Bedeutung zu.
Der obenerwähnte Ubergang zum Eisen- und Stahlschiffbau bat
auch für das Schiffbaugewerbe wichtige Verschiebungen nach sich ge-
zogen. England, Frankreich, die Niederlande und die holzreichen
skandinavischen Staaten hatten im Holzschiffbau schon früh Bedeutung