3. Kapitel. Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Wasserstraben. 435
Oder und Weichsel nur ein Viertel der Betriebstage, während in der
übrigen Zeit ¼ bis 34 der Tragfähigkeit nicht verwertet werden können.
Bei den Eisenbahnen fehlt es aber ebenfalls an der vollen Ausnutzung
der Tragfäbigkeit der Fahrzeuge, wenn auch die jetzige bessere Ver-
wertung des Wagenbestandes die Leerläufe einzuschränken vermag.
Ein weiterer Umstand, der billigere Wasserfrachten ermöglicht, liegt
darin, daß die Betriebsmittel der Binnenschiffahrt billiger zu beschaffen
nd. Für 90 000 M. kann ein eisernes Rbeinschiff von 1500 t Trag-
füähigkeit beschafft werden; wollte man für denselben Preis Eisenbahn-
wagen zu je 15 t anschaffen, so würde man bei offenen Wagen erst
492 t, bei gedeckten Wagen erst 378 t Tragfähigkeit gedeckt haben,
und um 1500 t Tragfähigkeit zu erreichen, würde man bei offenen
Wagen 3 mal, bei gedeckten Wagen fast 4 mal so viel für Beschaffung
der Fahrzeuge ausgeben müssen.
Das ergibt zunächst nur die Möglichkeit, für 1 tkm einen billigeren
Einheitssatz zu erzielen, als auf den Eisenbahnen. Man muß aber auch
berücksichtigen, daß der Wasserweg meistens vielfache Umwege nötig
macht, also der billigere Satz für 1 tkm mit mehr Kilometer verviel-
fältigt werden muß, und daß die Wasserfahrzeuge wegen ihrer lang-
#meren Beförderung nicht so oft in Benutzung genommen werden
können als die Eisenbahnen, und dabß schlieblich auch die Versicherungs-
kosten für den Wasserverkehr höher sind als für den Eisenbahnverkehr.
Alles in allem ergibt sich aber nach den vorhegenden Zahlenausweisen
doch, dab in der Regel leistungsfähige Binnenwasserstraben im ganzen
mit geringeren Selbstkosten den Verkehr bewältigen als die Eisenbahnen
und deshalb auch geringeren Frachtaufwand bedingen, wenn auch weniger
leistungsfähige Wasserstraben ungünstigere Verbältnisse zeigen, und daß
in der Regel die freien Flußläufe darin den kanalisierten Flüssen und
Kanälen überlegen sind. Nach den vorliegenden Erfahrungen tritt der
Vorzug der billigeren Wasserbeförderung erst bei längeren Entfernungen
richtig zutage, weil sich bei kürzeren Strecken die verhältnismäbßig
großen Kosten, die am Abgangs- und Bestimmungsorte entstehen, zu sehr
fühlbar machen. Nach SilES Berechnungen liegt bei künstlichen
Wasserstraßen mit 0,5 Pf. für 1 tkm Kanalabgabe die Grenze für
die Kohlen- und Massengüterbeförderung bei 40—50, 70— 100 und
160— 190 km, je nachdem bei der Beförderung ein Eisenbahnum-
schlag gar nicht oder nur einmal oder zweimal stattfinden mub. Bei
kürzeren Strecken würden die deutschen Eisenbahnfrachten niedriger
sein. Man rechnet meist für 1 t Gut auf den deutschen Bahnen mit
einer durchschnittlichen Beförderungsstrecke von 110—115 km, auf
deutschen Wasserwegen nach SrurHER Berechnungen von 350 km.
Srururn hatte für 1875 bereits 280, für 1895;: 320 km berechnet. Nach
der deutschen Eisenbahnstatistik ergibt sich 1910 eine durchschnittliche
28°