1. Kapitel. Die Aufgaben d. öffeutl. Gewalt gegenüber dem Wasserverkelirswesen. 457
Namentlich die Rücksicht auf die planmähige Anlage des Netzes und
auf die Herbeiführung möglichster Gleichhit der Mindestabmessungen
rechtfertigt den Kanalbau durch den Staat. Dazu kommt, dabß der Staat
eher als Privatgesellschaften auf sofortigen Reinertrag verzichten und
die zahlreichen Schwierigkeiten leichter überwinden kann, die sich aus
der Rückwirkung der neuen Kanäle auf die Anlieger ergeben. Meist
dienen die Kanäle, namentlich wenn sie als Glieder eines auszubauenden
vollständigen Netzes erscheinen, so sehr der Gesamtheit, daßb der Staat
auch von diesem Gesichtspunkte aus als die berufene öffentliche Stelle
erscheint. Das schliebt aber nicht aus, daß die Provinzen, Kreise und
Gemeinden mit ihren Mitteln beteiligt werden, wenn sich ergibt, daß
ihnen ein erkennbarer besonderer Vorteil aus den Anlagen erwachsen
wird. Auch für einzelne Gruppen der Erwerbskreise kann ein solcher
besonderer Vorteil unter Umständen ersichtlich sein. Das ist jetzt auch
fast überall anerkannt. In der Regel werden freilich bei den einzelnen
Gliedern eines planmähigen Kanalnetzes die niederen Stufen der öffent-
lichen Gewalt und die Erwerbsgruppen nur ergänzend nach und neben
dem in erster Linie berufenen Staate einzugreifen haben.
Der eigentliche Binnenschiffahrtsbetrieb mit dem Heranziehen der
zu befördernden Gütermengen trägt zu sehr die Merkmale eines rein
gewerblichen Unternehmens, als daß der Staat berufen sein könnte, ihn
allgemein durchzuführen. Das bleibt in der Regel am besten den
Erwerbsunternehmungen überlassen. Aber diese Regel erleidet Aus-
nahmen. Sie werden freilich nicht — wie bei den Eisenbahnen —
darauf gestützt werden können, daß eine Beherrschung des Schiffahrts-
verkehrs durch eine oder wenige großbße Gesellschalten zu befürchten sei.
Daran ist in der Binnenschiffahrt nicht zu denken. Auch die Bedürf-
nisse der Heeresverwaltung sind in bezug auf die Wasserstraßen, wie
schon gezeigt, nicht so groß, daß daraus eine Verstaatlichung der Binnen-
schiffahrt abgeleitet werden könnte.
Dagegen kann wohl der Fall eintreten, daß die Erwerbsunternehmung
von sich aus nicht willig genug ist, den Schiffahrtsbetrieb zu übernehmen.
Der Staat — oder je nachdem der besonders beteiligte Selbstverwaltungs-
körper — wird dann zunächst durch Beibilfen aus öffentlichen Mitteln
einzugreifen suchen, z. B. um bestimmte Schiffahrtslinien zu entwickeln,
oder um bestimmte Betriebsarten zu verwirklichen. Wo das aber nicht
ausreicht, kann der Eintritt der öffentlichen Gewalt in den eigentlichen
Schiffahrtsbetrieb geboten sein. Aus solchen Gründen erklärt es sich,
daß Rumänien nicht nur, wie schon erwähnt, einen staatlichen Post.,
Personen- und Frachtdienst zur See, sondern auch einen staatlichen
Binnenschiffsbetrieb mit staatlichen Schiffen begründet hat. Ein anderer
Gesichtspunkt ist der, daß zur Deckung ibrer großben Beiträge zu den
Anlagekosten den Selbstverwaltungskörpern bestimmte Teile des Betriebs