Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

4. Kapitel. Die Aufgaben d. öffentl. Gewalt gegenüber dem Wasserverkehrswesen. 467 
zu steigern. Das wird ein Ausnahmefall sein. Man kann sich weiter 
den Fall denken, daß bei einem leistungsfähigen, den heutigen An- 
sprüchen entsprechenden Kanale von erbheblicher Fernwirkung die 
Anlagekosten schon durch frühere Abgaben gänzlich getilgt sind, und 
daß die Unterhaltungskosten wegen der besonders guten Ausführung 
des Baues und wegen günstiger natürlicher Verhältnisse sehr gering 
sind; auch dann wird es möglich sein, auf Befahrungsabgaben ganz zu 
verzichten. Aber das ist ebenfalls ein Ausnahmefall. Die meisten vor- 
handenen Kanäle erfordern ansehnliche Unterhaltungskosten und häufige 
neue Kapitalaulwendungen, um sie den heutigen hochgesteigerten An- 
forderungen anzupassen, und in solchen Fällen ist es mindestens ver- 
früht, auf Abgaben für die Befahrung ganz zu verzichten. Bei Län- 
dern, deren Kanalnetz noch wichtiger Verbesserungen und Erweiterungen 
bedarft, wird man diesen Weg im allgemeinen nicht rechtfertigen 
können. Die Besorgnis, den Verkehr durch die Zeitverluste bei der Ab- 
gabenerhebung zu erschweren, kann bei den meisten Kanälen nicht geltend 
gemacht werden. Der Zustand der Fahrbahn auf den Kanälen, 
namentlich wenn sie stärkere Steigungen zu überwinden haben, bedingt 
ohnehin eine verhältnismäßig langsame Fortbewegung der Fahrzeuge 
und bietet mancherlei Aufenthaltspunkte, an denen die Gebübrenerhebung 
leicht mit erledigt werden kann. 
Die außerhalb des Schiffahrtsbereichs liegenden Nebenvorteile der 
Kanäle sind gerade bei Schiffahrtskanälen in der Regel, wenn überhaupt 
nur in begrenztem Maße möglich und würden es nicht rechtfertigen 
ihretwegen den Verkehrskreisen, die den Vorteil der Schiffahrtsstrabe 
genieben, die freie Befahrung zu schenken und zur Deckung der Unter- 
hbaltungskosten und der Verzinsung und Tilgung der Baukosten die aus 
Steuern der Bevölkerung überhaupt gewonnenen Mittel heranzuziehen. 
Vor allem aber kommt in Betracht, dab der Kapitalaufwand, der heute 
in die Kanäle gesteckt werden mut, nach den früher mitgeteilten Zahlen 
einen sehr bedeutenden Umfang erreicht. Nur ausnahmsweise wird 
sich ein wirtschaftlich aufstrebendes Land gestatten können, diese 
großen Kapitalbeträge ohne jeden unmittelbaren Ertrag zu lassen. Ist 
das Land nicht sehr reich, und fließen ihm nicht aus anderen Einnahme- 
quellen sehr großbe Mittel ohne zu starke Anspannung der Steuerkraft 
des Volkes zu, so muß es die Ertraglosigkeit der großen Anlagekapitalien 
der Kanäle damit bezahlen, daß es bei den vielen anderen kostpieligen 
Aufgaben, deren Lösung der Gesamtheit gerade durch den wirtschaft- 
lichen Aufschwung zufällt, in unerwünschter und der Volkswirtschaft schäd- 
licher Weise durch Mangel oder Knappheit an Mitteln beschränkt wird. 
Verkebrsaufgaben sind gewiß Kulturaufgaben, aber es sind nicht die 
einzigen Kulturaufgaben, die ein großber Staat zu lösen hat, und man 
darf diese nicht dadurch beeinträchtigen, daß man bei jenen grobe Ver- 
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