468 IV. Abschnitt. Der Wasserverkehr.
mögensteile der Nation ertraglos läßbt. Dazu kommt, dabß es für jedes
aufstrebende Land eine kluge Politik ist, die gegebenen Besteuerungs-
möglichkeiten nicht restlos auszunutzen; es sind Rücklagen für schwierige
Zeiten, wenn in regelmähßigen Zeiten gewisse Besteuerungsmöglichkeiten
noch geschont bleiben. In solcher Lage muß der Staat — für Selbst-
verwaltungskörper gilt das entsprechende — die Vermögensteile, die in
die Kanäle gesteckt sind, wenigstens soweit als werbendes Vermögen
behandeln, dabß die Unterhaltungskosten und die Verzinsung und
Tilgung des Anlagekapitals gesichert isl. Ohne das kann er in die
Lage kommen, an die notwendigen Ergänzungen, Verbesserungen und
Erweiterungen des Kanalnetzes nicht rechtzeitig und nicht in genügendem
Umfange herantreten zu können. Unter diesem letzteren Gesichts-
punkte kann unter Umständen auch die Uberschreitung der vollen Eigen-
kostendeckung gerechtfertigt sein, um die Mittel zum weiteren Ausbau
des Binnenschiffahrtsnetzes leichter zu beschaffen. Damit können sich
die Verkehrsbeteiligten auch am ebhesten aussöhnen, wenn sie auch
erklärlicherweise die Abgabenfreiheit vorziehen. Selbstverständlich
darf die Abgabenbemessung nicht so ausgestaltet werden, dab die Ver-
kehrsgestaltung und entwickelung in einer für das Volksganze schäd-
lichen Weise zurückgehalten oder unterbunden wird. In den Nieder-
landen, wo wegen der besonderen natürlichen Verhältnisse die Staats-
kanäle mehr als anderswo Landeskulturzwecken dienen, ist ein Teil
der Staatskanäle abgabenfrei, ein anderer mit mäbigen Befabrungs-
abgaben belastet, während auf den Kanälen der Provinzen und Gemein--
den und selbstverständlich auch auf den Privatkanälen Abgaben von
0,2 bis 0,8 Pf. für 1 tkm erhoben werden. In Belgien sind die früheren
hohen Abgaben für Befahrung der Staatskanäle 1886 auf 0,4 Pf. für
1 tkm herabgesetzt, was den Dbergang vom Reingewinnstreben zum
Gedanken der Eigenkostendeckung bedeutet. Rubßland folgt grundsätz-
lich demselben Gedanken. Frankreich hatte 1880 auf den Staatskanälen
alle Befahrungsabgaben abgeschafft, zum guten Teil deshalb, weil gegen-
über den großen Eisenbahngesellschaften ein Gegengewicht in billigem
Verkehr auf den staatlichen Wasserstraßen erwünscht sein mußte. Die
neuere Geselzgebung (3. Juli 1900 und 23. Dezember 1903) hat die
Selbstverwaltungskörper und Handelskammern zu starken Baukosten-
beiträgen für das Kanalwesen herangezogen und ihnen als Gegenleistung
das Schleppmonopol und das Recht zur Erhebung von Befahrungs-
abgaben (von 0,18 bis 1,2 Pf. für 1 tkm) gegeben, bis ihre Baukostenbei-
träge gedeckt sind. In Deutschland ließ bisher die Reichsverfassung (Art.
54 Abs. 4) Befahrungsabgaben auf Staatskanälen zu bis zur Höbe der
Kosten der Unterhaltung und „gewöhnlichen Herstellung“. Durch die neue
Fassung der oben erwähnten Vorschrift der Reichsverfassung nach dem
wiederholt angeführten Reichsschiffahrtsabgabengesetz vom 24. Dez. 1911