5. Kapitel. Die Preisbildung im Wasserverkehr. 475
Line); durch Kauf gingen drei englische Linien (Leyland, White Star
und Dominion Line) auf diesen Verband über. Mit der Hamburg-Ame-
rika-Linie und dem Norddeutschen Lloyd schloß der Verband im Juni
12 einen Kartellvertrag, der eine gegenseitige Verkehrsteilung be-
wirkte, aber die vorerwähnten Vereinbarungen des Nordatlantischen
Reedereiverbandes über Zwischendecks- und Frachtverkehr und über
Kajütenpreige in Kraft ließ. Für den nordatlantischen Salonpassagier-
verkehr wurde ein besonderes Abkommen getroffen. Für den Gesamt-
verkehr bilden die beteiligten Gesellschaften eine Finanzgemeinschaft.
Der Vertrag ist bis 1912 unkündbar. Die Cunard Line schloß sich
erst nach einem heftigen Wettbewerbskampfe 1904 an, was aber nicht
hinderte, dab sie 1907 durch Verlegung des Ausgangspunktes ihrer
Fahrten von Liverpool nach den von den deutschen Linien angelaufenen
Southampton einen abermaligen Wettbewerbskampf gegen die deutschen
Linien unternahm. Neben diesen großen Verbänden für den nordatlan-
tischen Verkehr haben sich auch für die Dampferlinien nach Indien,
Ostasien, Australien, Südamerika, Preisverbände der beteiligten Gesell-
schaften entwickelt. Die Seglerlinien haben ebenfalls mehrfach Verbände
gebildet.
Mit alledem ist der Wettbewerb nicht ausgeschaltet. Selbst die be-
teiligten groben Linien haben für die nicht von der Vereinbarung be-
rührten Verkehrsgebiete, Verkehrsrichtungen und Verkehrsarten mit
gegenseitigem Wettbewerbe zu rechnen. Uberdies sind weder die Segler-
linien noch die freie Dampfer- und Seglerfahrt („Trampschiffahrt") an
den Vereinbarungen beteiligt, und bei zu bohen Verbandspreisen würden
diese mit Erfolg eingreifen können. Eine Uberspannung der Verbands-
preise würde zugleich das Entstehen neuer Wettbewerbslinien begünstigen.
Die Preisbildung im Seeverkehr steht also — als Ganzes betrachtet —
nach wie vor unter dem Einflusse des Wettbewerbes, allerdings eines
enger als sonst begrenzten, und nur für bestimmte Verkehrsaufgaben
ist der gegenseitige Kampf durch eine Verständigung ersetzt, die aber
eine Uberspannung bei der Preisbildung nicht durchführen kann und
auch nicht durchführen will.
Die Preise im Seeverkehr werden von kleineren Unternehmungen
und in der freien Schiffahrt von Fall zu Fall vereinbart. Die gröberen
Gesellschaften mit regelmäßigen Linien dagegen stellen ihrerseits be-
stimmte Tarife auf, setzen also von sich aus die Preise fest, die der
Empfünger der Verkebrsleistung zu zahlen hat. Diese Tarife werden
schon im Personenverkehr in einzelnen Fällen nicht streng durchgeführt
und im Frachtverkehr häufig durchbrochen, um grobe Frachtaufträge
nicht fallen lassen zu müssen, und zur Erlangung von Rückfracht wird
oft von den Gesellschaften ein weitgehendes Entgegenkommen bewiesen,
wenn anders genügende Rückfracht nicht zu erreichen ist.