Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

1. Kapitel. Begriff, Arten, Hilfsmittel und Redeutung. 551 
Von besonderer Bedeutung für den Postverkehr sind die Eisenbahnen 
geworden, die für den größten Teil des Verkehrs von Ort zu Ort heran- 
gezogen werden. Durch die Eisenbahnen ist der Postdienst zu wesentlich 
größerer Bedeutung gebracht worden, und schon früh hat man be- 
gonnen, dem Postverkehr die Vorteile des neuen Verkehrsmittels zugängig 
zu wachen. In manchen Ländern ist dabei von einer Verpflichtung 
zu unentgeltlichen Leistungen der Eisenbahnen für den Postdienst ab- 
gesehen, in anderen sind den Bahnen bestimmte Verpflichtungen dieser 
Art auferlegt worden. Zu den Ländern der ersteren Art gehören die 
Vereinigten Staaten von Amerika. Dort muß deshalb die Postverwaltung 
den Eisenbahnen hohe Vergütungen für Uberlassung von Wagen und 
für Beförderung der Postsachen zahlen. Die Kosten der Eisenbahnpost- 
beförderung waren dort 1880: 10,6 Mill. Doll; 1890;: 23,4 Mill. Doll., 
1900; 37,8 Mill. Doll., 1910: 19,3 Mill. Doll. Dabß dieses Vorgehen 
nicht notwendig mit der Herrschaft des Gesellschaftsbahnwesens gegeben 
ist, zeigt das Beispiel Frankreichs, das den Eisenbahngesellschaften um- 
fangreiche unentgeltliche Leistungen für Postzwecke auferlegt hat. In 
Deutschland hat sich das gleiche entwickelt. Durch das Gesetz vom 
20. Dezember 1875 sind der Reichspostverwaltung gegenüber die Reichs-, 
Staats- und Gesellschaftseisenbahnen verpflichtet zur unentgeltlichen Be- 
förderung der Briefpostsendungen, Zeitungen, Gelder (einschl. des un- 
gemünzten Goldes und Silbers), Juwelen und Wertgenstände ohne Unter- 
schied des Gewichts; ferner der sonstigen Postsäcke bis zum Einzelgewichte 
von 10 kg; weiter der Postbeamten, die zur Begleitung der Postsen- 
dungen und zur Verrichtung des Postdienstes unterwegs erforderlich 
sind, auch wenn sie vom Dienste zurückkehren; endlich der Gerät- 
schaften, derer die Postbeamten unterwegs bedürfen. Für andere Sen- 
dungen ist Fracht zu zahlen. Die Reichspostwagen stehen im Eigen- 
tum der Reichspostverwaltung (Ende 1910: 2101) und werden von der 
Eisenbahn gegen Erstattung der Selbstkosten unterhalten und gegen be- 
sondere Entschädigung gereinigt und geschmiert. Daneben oder statt 
dessen werden gegebenenfalls besonders eingerichtete Wagenabteilungen 
von der Post gemietet. Wenn ein zweiter oder dritter Postwagen 
mitgenommen werden muh, so zahlt die Postverwaltung 0,08 M. für 
1 Achskilometer der reichsposteigenen Wagen und 0,10 M. für 1 Achs- 
kilometer der für Postzwecke zur Verfügung gestellten Güterwagen oder 
Wagenabteilungen. Die Kleinbahnen werden nicht in entsprechendem 
Umfange zu unentgeltlichen Leistungen für Postzwecke herangezogen 
laut Erlaß des Reichskanzlers vom 28. Mai 1879. Das Gesetz gilt nicht 
in Bayern und Württemberg, weshalb dort besondere Bestimmungen er- 
gangen sind. Im ganzen Deutschen Reich war der Bestand an Post- 
eisenbahnwagen 1890: 1664, 1910: 2654. Die Postwagen leisteten 1890: 
256,8 Mill. und 1910;: 527,38 Mill. Wagenachskilometer. Der Wert der
	        
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