2. Kapitel. Entwickelungsgang. 573
Gegen den römischen Cursus publicus zeigt das Mittelalter einen
großen Abfall. Es gab nicht nur keine wirkliche Posteinrichtung für
den Gebrauch des Publikums, sondern noch nicht einmal eine planmäßige
Einrichtung des Nachrichtendienstes für die Landesregierung, was sich
allerdings aus dem Fehlen starker Zentralgewalten erklärt. Nur KaAI-
dEeN GBROssEN wird nachgesagt, dab er eine dem Cursus publicus ähnliche
Einrichtung versucht habe. Möglich wäre das deshalb, weil die Zusammen-
fassung eines großen Reichs ein derartiges Bedürfnis an sich hervorrufen
konnte; geschichtlich beglaubigt ist es aber nicht. Jedenfalls fehlt es im
weiteren Verlaufe des Mittelalters an entsprechenden Einrichtungen des
Nachrichtendienstes für Regierungszwecke.
Im übrigen entwickelte sich im Mittelalter eine Ordnung des Boten-
dienstes für die Zwecke der Klöster und Orden, die namentlich bei dem
Deutschen Orden gut ausgebildet war, sowie für die Universitäten, um
den Verkehr der Studierenden mit ihrer Heimat zu vermitteln. Auch
Metzger und Schiffer wurden — zum Teil zwangsweise — für die Nach-
richtenbeförderung herangezogen. Dem heutigen Begriffe der Post ent-
sprechen alle diese Einrichtungen nicht, weil sie für die Sonderzwecke
einzelner Gruppen und Körperschaften bestimmt waren. Daran ändert
auch der Umstand nichts, dab gelegentlich für andere Personen Briefe
gegen Bezahblung mitgenommen wurcen.
Wichtiger waren die den Bedürfnissen des Handels entsprungenen
Botenanstalten verschiedener Städte, weil sich hier schon ein regelmähßigeres
Ineinandergreifen der einzelnen Botenlinien — wenigstens im späteren
Ilittelalter — entwickelte. Die Stadtboten, Sowohl Fuhß- als auch Reit-
boten, waren in erster Linie für die städtischen Körperschaften bestimmt
und wurden von den Gemeinden, teilweise auch von Kaufmannsgilden
besoldet. Nebenher hatten sie auch Briefschaften der Bürger gegen feste
Gebühren zu besorgen. Als Postanstalten im heutigen Sinne des Wortes
sind auch die Botenanstalten der Städte noch nicht anzuschen. Das
Mittelalter hat überhaupt eine Post im heutigen Sinne des Wortes nicht
hervorbringen können, weil das Bedürfnis nach einem regelmäßhig ge-
ordneten Nachrichtenverkehr in der breiten Masse nicht bestand. Das
Mittelalter bat aber noch nicht einmal eine umfassende Einrichtung des
Nachrichtendienstes für Regierungszwecke zu schaffen vermocht, weil
auch dafür mangels starker Zentralgewalten ein Bedürfnis nicht vor-
handen war. Eine Ausnahme in letzterer Hinsicht machte das Kalifen-
reich, das für Regierungszwecke den Nachrichtendienst ordnete. Das
Beispiel dieses Reiches wurde in Aragonien schon im 13. Jahrhundert
nachgeahmt.
Im übrigen aber kam es erst gegen Ende des Mittelalters und im
Beginn der Neuzeit zu derartigen Einrichtungen für Regierungszwecke
im engsten Zusammenhange mit dem Aufkommen starker Zentralgewalten