2. Kapitel. Entwickelungsgang. 577
Postverein eine teilweise Verwirklichung. Der Postverein umfabte
Staaten, ließ aber die getrennten Verwaltungen bestehen. Im Anfang
des Jahres 1866 waren in Deutschland noch 18 selbständige Postver-
waltungen vorhanden. Durch die Ereignisse von 1866 ging das Post-
wesen von Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen an Preuben über.
Durch Vertrag vom 28. Januar 1867 übernahm Preußen weiter das
Taxlssche Postwesen gegen eine Entschädigung von 9 Millionen Mark,
ein sehr wichtiger Schritt auf dem Wege zu Deutschlands Posteinheit.
Mit dem Norddeutschen Bunde entstand auch eine einbheitliche Post-
verwaltung des Bundes (seit 1. Januar 1868), der alle deutschen Staaten
mit Ausnahme von Bayern, Baden und Württemberg angehörten. Nach
der Begründung des Deutschen Reichs erweiterte sich seit 1. Januar 1872
die Norddeutsche Bundespost zur Deutschen Reichspost. Nur Bapyern
und Württemberg haben noch eine eigene Postverwaltung.
Der zweite große Fortschritt im Postwesen, den das 19. Jahrhundert
zu verzeichnen bat, ist, wie erwähnt, die Abstreifung des rein „fiskali-
schen“ Zuschnitts der Post. Diesen Zuschnitt trug die Post seit ihrer
Entstehung. Sie war in Wahrheit ein zum Alleinbetriebe berechtigter
Grobbetrieb, der möglichst hohe Reinerträge abzuwerfen hatte, und blieb
das auch im Anfange des 19. Jahrhunderts, trotzdem schon 1811 in der
Schrift von KrößeR „Das Postwesen in Teutschland“ betont worden
war, daß die Erzielung möglichst großer Reinerträge nicht als Haupt-
zweck angesehen werden dürfe. Die Not der Zeit war nicht dazu an-
getan, derartigen Anschauungen allgemeine Anerkennung in den leitenden
Kreisen zu verschaffen. Allenthalben waren die Portosätze damals sehr
hoch. England zumal trieb die Portosätze stark in die Höhe. 1801,
1805 und 1812 wurde die englische Post zu erheblichen Beiträgen an die
Schatzkammer genötigt, und jedesmal wurde zu dem Zwecke der Tarif
erhöht. Der Tarif vom 9. Juli 1812 forderte:
bei Entfernungen k. einf. Brief f. dopp. Brief f. dreif. Brief f. schwerere Briefe
für 1 Unze
bis 15 Miles 4d X 12 d 16 d (pence)
über 15—20 „ 5 d 10 d 15 d 20 d
„ 20—30 „ 6 d 12 d 18 d 24 4
usw.
„ 700 „ 17 d 34 d 51 d 68 d
Der einfache Brief durfte höchstens 1 Unze (28,3465 g) wiegen,
aber nur aus einem Blatte bestehen, eine Bestimmung, die zu den
größten Schikanen Anlab gab. Ein Brief von 4 Unzen (113,4 g) kostete
sonach auf Emfernungen von über 700 Miles 272 d Q(Zu je 8,512 Reichs-
pfennige) oder 23,15 M. Diesem Tarife schrieb man es in England zu,
daß trotz des allgemeinen Aufschwunges von Handel und Industrie der
Reinertrag der englischen Post auf rund 1½/2 Mill. Pfd. Sterling stehen
vak pn Bonokr, Verkehrswesen. 2. Aull. 37