Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

608 VI. Abschnitt. Der Post- und elektrische Nachrichtenschnellverkehr. 
besitz die kurzen Küstenkabel vorherrschen, gebt daraus hervor, dab die 
im Statistischen Jahrbuch für das deutsche Reich 1911 angefübrten 
2129 Staatskabel im Durchschnitt nur 42,6 km, dagegen die 399 Ge- 
Sellschaftskabel im Durchschnitt 1023,2 km lang waren. 
Der Fernsprecher ist in den Vereinigten Staaten von Amerika 
in den Händen einer großen Erwerbsgesellschaft. In England ist der 
Fernsprecher durch gerichtliches Urteil vom 20. Dezember 1880 als An- 
hängsel der Telegraphie bezeichnet worden, liegt aber tatsächlich in der 
Hand genehmigter Gesellschaften. In Finland, Norwegen und Schweden, 
teilweise auch in Dänemark, hatten örtliche genossenschaftliche Vereini- 
gungen den örtlichen Fernsprechbetrieb in die Hand genommen, teil- 
weise auch den Fernverkehr; jetzt besteht aber in Finland ganz, in 
Schweden und Norwegen überwiegend staatlicher Betrieb. In Dänemark 
hat der Staat im Fernverkehr zwischen den verschiedenen Verwaltungs- 
bezirken und mit dem Auslande die mabgebende Stellung, im Orts- 
und Nahverkehr aber die Privatgesellschaften. In den Niederlanden 
liegen die innerstädtischen Fernsprechnetze in Amsterdam und vielen 
anderen Orten in den Händen der Gemeinden, während das zwischen- 
städtische Netz vom Staate übernommen ist. Einige Länder baben 
Staats- und Gesellschaftsbetrieb nebeneinander. In Rubßland geschieht 
das in der Weise, daß sich der Staat den Fernverkehr vorbehalten 
hat und seit 1886 neue Genehmigungen für gesellschaftliche Stadt. 
fernsprecheinrichtungen nicht mebr erteilt. Bei Ablauf der vorhandenen 
Genehmigungen wird die Ausbeutung gewinnreicher Stadtfernsprech- 
netze öffentlich ausgeschrieben, wobei dann auch Gemeindeverwaltungen 
als Mitbietende auftreten können. In Spanien und ltalien ist das 
staatliche Alleinrecht zum Fernsprechbetriebe zwar gesetzlich anerkannt, 
wird aber tatsächlich noch den Erwerbsgesellschaften überlassen, wobei 
sich der Staat in ltalien wichtige Rechte und Einfluhnahme vor- 
behalten hat. Die meisten Staaten haben — zum Teil nach einigem 
Schwanken — den Standpunkt eingenommen, dabß das staatliche Allein- 
recht zum Telegraphenbetrieb auch den Fernsprecher einschließt, und die 
Gesetzgebung ist dem gefolgt. Deutschland hat von Anfang an einen 
festen Standpunkt in der Sache gehabt; der Fernsprecher ist stets nach 
den für die Telegraphen geltenden Grundsätzen behandelt worden. ULm 
jeden Zweifel an der Berechtigung dieses Vorgehens auszuschließen, hat 
das deutsche Telegraphengesetz vom 6. April 1892 in § 1 klar und deut- 
lich erklärt: „Unter Telegraphenanlagen sind die Fernsprechanlagen mit 
begriffen". 
Die Frage, ob der staatliche Alleinbetrieb des Fernsprechers behufs 
billigster und bester Betriebsdurchführung nötig oder wünschenswert, würde 
man nur in bedingter Weise bejahen können, wenn es nicht gelungen 
wäre, den Fernsprecher auch für den Fernverkehr brauchbar zu machen.
	        
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