614 VI. Ahbschnitt. Der Post- und elektrische Nachrichtensehnellverkebhr.
ihre besonderen Eigenkosten im mehrerwähnten Sinne zu decken vermag,
kann nicht erwartet und darf nicht gefordert werden. Wenn vollends
der Betrieb im ganzen durch die besseren Erträge der verkebrsreichen
Linien noch einen Uberschuß läßt, dann ist es nicht berechtigt, ärmere
Gegenden mit solchen Kostenbeiträgen zu belasten, die den verkehrs-
reicheren nicht auferlegt wurden. Denn die Uberschüsse sollen nach
dem gesagten gerade die Vervollständigung des Netzes und seine plan-
mäbßige Ausbreitung über alle verkehrsbedürftigen Landesteile ermöglichen.
Aus gleichen Erwägungen bedarf es auch einer vorsichtigen Hand-
habung des Verfahrens, dabß die Anlage einer Linie von der Gewähr-
leistung einer Mindesteinnahme durch die Verkehrtreibenden oder ibre
Vertretungen abhängig gemacht wird, was namentlich bei Fernsprechern
vorgekommen ist.
Daß es Verhältnisse gibt, in denen die staatliche Verwaltung mit
Recht den Forderungen auf neue Linien und Anlagen zurückhaltend
gegenübertritt und sich durch Beiträge und Gewährleistungen der be-
teiligten gegen unliebsame Uberraschungen zu schützen sucht, ist damit
natürlich nicht in Abrede gestellt.
4. Kapitel. Die Tarife im Post- und elektrischen Nachrichten-
verkehr.
§ 1. Die Posffare. Die Preise für die Leistungen der Post bei
Beförderung von Briefen, Geldsendungen, Paketen u. dgl. werden unter
dem Namen Porto zusammengefaßt. Diese Preise sind nach Lage der
Sache „Monopolpreise“, auch dann, wenn der Postbetrieb Privatunter-
nehmungen überlassen ist. Die Bevölkerung bat sich diesen einseitigen
Festsetzungen zu unterwerfen; sie kann nur durch den Druck der öffent-
lichen Meinung einen Einfluh auf die Höhe der Sätze gewinnen, ver-
langt aber gerade deshalb auch mit besonderem Nachdrucke, daß
die Forderung der Billigkeit, der Einfachheit, der Offentlichkeit, der
Gleichmäßigkeit und der Allgemeingültigkeit bei den Posttarifen er-
füllt werde.
Bezüglich der Allgemeingültigkeit hatten sich früher großbe Miß#-
stände entwickelt. Nicht nur für amtliche, auch für private Brieke der
Staatsbeamten, für den Schriftwechsel nicht nur der Landesfürsten,
Sondern auch zahlreicher Körperschaften, Stiftungen, Wohlfahbrtsanstalten
usf. waren Portofreiheiten zugestanden worden. Auch die Parlaments-
mitglieder hatten früher vielfach Anteil an der Portofreiheit. In Eng-
land konnte noch Ende der 30 er Jahre des 19. Jahrhunderts jedes
Parlamentsmitglied fäglich 10 Briefe portofrei abschicken und 15 Brieke
portofrei empfangen. Die neuere Entwickelung hat diese Auswüchse
beseitigt. Meist besteht die Portofreiheit nur noch für das Staatsober-