Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

4. Kapitel. Die Tarife im Post- und elektrischen Nachrichtenverkehr. 631 
mußte. Nur bei den öffentlichen Fernsprechstellen war eine solche 
Zählung und Uberwachung der einzelnen Gespräche von vornherein 
durchfübrbar und unvermeidlich, weil diese Stellen von wechselnden Be- 
nutzern in Anspruch genommen werden, von denen für jedes Gespräch 
die Gebühr sofort eingezogen werden muß, und weil ihre Benutzung 
gegenüber dem massenhaften Verkehr der ständigen Fernsprechteilnehmer 
stark zurücktritt. In Deutschland ist für jedes Gespräch von 3 Minuten 
von der öffentlichen Fernsprechstelle aus im Orts- und Nachbarorts- 
verkehr statt der früheren Sätze von 25 und 50 Pf. jetzt die Gesprächs- 
gebühr von 10 und 20 Pf. vorgeschen. Im übrigen behalf man sich 
im Orts- und Nachbarortsverkehr mit Bauschgebübren in Form fester 
Jahresbeträge, die anfangs hoch und wenig abgestuft waren. Sie 
stellten eine sehr weitgehende Ausgleichung der Preise dar und zeich- 
neten sich durch großbe Einfachheit aus. Sie führten aber auch zu 
vielen unnützen Gesprächen und belasteten ungleich. Wer nur selten 
vom Fernsprecher Gebrauch machte, hatte hiernach denselben Grund- 
betrag, also im Verhältnis erheblich mehr zu zahlen, als derjenige, 
welcher den Fernsprecher sehr häufig benutzte. Um eine gröhere Gleich- 
mähigkeit und Gerechtigkeit der Gebührenbemessung im Orts- und Nach- 
barortsverkehr zu erzielen, hat man später die Jahresgebühren vielfach 
ergänzt durch Gesprächsgebühren für die einzelnen Gespräche, deren 
Zahl und Dauer zu zählen durch das Aufkommen verbesserter Zähl- 
einrichtungen möglich geworden war. Eine solche Verbindung von 
Jahres- und Gesprächsgebühren findet sich u. a. in Deutschland und der 
Schweiz; sie ist durch Gesetz von 1903 auch in Italien zugelassen worden, 
soll aber jetzt durch Grund- und Gesprächsgebühr ohne Zulassung 
von Bauschgebühren ersetzt werden. Die Gesprächsgebühr ist überall 
niedrig und nicht weiter abgestuft. Sie beträgt z. B. in Italien und der 
Schweiz 5 Cent.; in Deutschland ist sie 5 Pf., muß aber mindestens für 
400 Gespräche jährlich gezablt werden. Die daneben zu entrichtende 
feste jährliche Grundgebühr ist in Italien und der Schweiz im ersten 
Jahre des Anschlusses 100 Frs., ermähigt sich aber in der Schweiz für 
das zweite Jahr auf 70, alsdann auf 40 Frs. und in ltalien vom zweiten 
Jahre ab auf 60 Frs. Die erhöhte Grundgebühr im Anfang erklärt sich 
wohl aus dem Streben, die Deckung der Anlagekosten von vornherein 
zu sichern. 
Ein anderer Grundsatz für die Abstufung der Grundgebühren be- 
ruht auf der Erwägung, daß der Verkehrswert des Anschlusses um 8s0o 
gröher ist, je höher die Gesamtzahl der Anschlüsse in dem betreffenden 
Fernsprechnetz ist. Denn dann ist die Zusammensetzung der Teilnehmer- 
schaft mannigfaltiger, sodal, man reichlicher Gelegenheit zur Benutzung 
des Fernsprechers findet; zudem sind in solchen dichtbesetzten Netzen, 
die sich in der Regel in größeren Orten finden, die Entfernungen länger,
	        
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