70 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen.
mehr dem Bedürfnisse der Gesamtheit anschmiegt. Diese Voraussetzung
fehlt freilich oft genug. Sobald der mahgebende Einfluß bei Personen
liegt, die nur zu Zwecken des Börsenspiels an dem Unternehmen beteiligt
sind, so steht der Augenblickserfolg mehr im Vordergrunde, als die
dauernde gesunde Gestaltung. In diesem Falle ist die Gefahr viel gröber,
dab das Sonderbedürfnis dem Gesamtbedürfnisse zuwiderläuft. Das
Maß des Gdegensatzes zwischen beiden ist also verschieden je nach den
Verhältnissen, räumlich sowohl als auch zeitlich. Ein vollständiger Ein-
klang zwischen den Sonder- und den Gesamtbedürfnissen wird aber,
wenn überhaupt, nur sehr selten zu erwarten sein.
Dem Sonderbedürfnisse genügt es, diejenigen Verkehrswege zu be-
schaffen, die Aussicht auf günstigen Reinertrag bieten. Das sind im
wesentlichen die Linien, die hochentwickelte Gebiete durchschneiden
und verbinden. An den Nebenlinien liegt ihm nur soweit, als eine un-
mittelbare Steigerung des Verkehrsumfanges auf den Hauptlinien davon
zu erwarten ist. Insoweit ist auch die Erwerbsgesellschaft an einer
planmähigen Gestaltung des ganzen Wegenetzes, an einheitlichen Ab-
messungen der Wege und Fahrzeuge usf. beteiligt.
Das öffentliche Bedürfnis verlangt in dieser Beziebhung weit mehr.
Bei der hohen Bedeutung des Verkehrswesens muß der Staat dahin
streben, daß allen Teilen des Landes die Vorteile des vervollkommneten
Verkehrswesens zugängig gemacht werden. Ihm können nicht diejenigen
Linien genügen, welche sich auf ein schon hochentwickeltes Gebiet stützen.
Er mulß vielmehr Bedacht darauf nehmen, an sich entwickelungsfähige.
aber durch besondere Verhältnisse zurückgehaltene Gebiete wirtschaft-
lich aufzuschlieben; er darf die Stärkung der Schwachen, wie auf
allen Gebieten, so auch im Verkehrswesen nicht versäumen. Das Netz
der Verkehrswege muß er über das ganze Land bin verbreiten, um
jedem Teile die angemessenen Vorbedingungen für seine Entwickelung
zu bieten.
Aber nicht nur möglichst allseitige Verzweigung der Verkebrswege
an sich muß der Staat aus Gesamtrücksichten anstreben, er muß auch
verlangen, daß die Anlage von vornherein nach einem einheitlichen Plane
erfolgt. Das vermindert den Gesamtaufwand, vermeidet unwirtschaft-
liche Sprünge in der Entwickelung und verhindert unnötige und nicht
gerechtfertigte Wettbewerbslinien. Soll dieses Bedürfnis der Gesamtheit
befriedigt werden, so muß der Staat unter allen Umständen die Erwerbs-
gesellschaften nötigen, sich seinem Plane unterzuordnen.
Die Gesamtheit ist auch dringend daran beteiligt, daß dem groben
Verkehre nicht durch die verschiedenen Abmessungen der Fahrbahnen
und Fahrzeuge Hindernmisse in den Weg gelegt werden. Je gröber
das Gebiet ist, auf welchem Fahrzeuge gleicher Abmessungen ungehindert
verkehren können, mag es sich um Flüsse, Kanäle, Eisenbahnen oder