74 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen.
über der Macht der sich immer mehr zusammenschliebenden Babn-
gesellschaften auf die Dauer genügen wird, muß abgewartet werden.
Der Staat hat in verschiedenen Richtungen in das Tarifwesen ein-
gegriffen. Er schrieb z. B. die rechtzeitige Veröffentlichung der Tarife
vor, um geheime Tarifbegünstigungen zu erschweren. Er ordnete an,
daß jeder Tarif eine bestimmte Zeit hindurch bestehen müsse, um mehr
Stetigkeit in die Tarife zu bringen. In fast allen Staaten findet sich
auch, wenngleich in verschiedenen Formen, die Anordnung, dab die
Verkehrsleistungen jedermann zu gleichen Bedingungen zustehen sollten.
Im Zusammenhange damit steht das Verbot der geheimen Tarif-
begünstigungen (Refaktien) und bestimmter Arten unterschiedlicher
Tarifbehandlung. Auch die Untersagung einer Verweigerung unmittel-
baren Verkehrs und unmittelbarer Tarife gehört hierher.
Von gröbßerer Bedeutung als diese Bestimmungen war das Recht
zur Genehmigung der Tarife und zum Einspruche gegen Tarifänderungen.
Freilich ist die Uberwachung und die Beurteilung der Angemessenbeit
der Tarifänderungen so schwierig, daß ein ausreichender Schutz der
Bevölkerung auch auf diesem Wege nicht immer zu erreichen ist.
Der Erhöhung der Tarife wurde eine Grenze gezogen dadurch, dabß
die Herabsetzung der Tarife bei Erreichung eines bestimmten Dividen-
densatzes (z. B. 10 v. H. in England, Preußen und einigen amerikanischen
Staaten, 15 v. II. in ÖOsterreich) gesetzlich oder in der Genehmigungs-
urkunde vorgeschrieben wurde. Da die Bestimmung sehr leicht zu um-
gehen war, so kann es nicht auffallen, daß sie keine sonderliche Bedeutung
erlangt hat.
Noch unmittelbarer suchen die Höchsttarife der Tariferhöhung eine
Grenze zu ziehen. Der Staat setzt hier diejenigen Frachtsätze in un-
bedingter Höhe fest, die nicht überschritten werden dürfen. So zweck-
mäbßig das auf den ersten Blick scheint, so ist es doch ohne nennens-
werte Bedeutung geblieben. Fast alle Staaten haben sich dieses Mittels
bedient; aber meist wurden die Höchstsätze zu hoch gegriffen, weil zur
Zeit ihrer Feststellung genügende Anhaltspunkte zur Beurteilung der
zulässigen Höchstgrenze fehlten. Immerhin sind die Höcbsttarife im-
stande, grobe Ubergriffe abzuwehren. Ein gewisser, wenn auch be-
schränkter Schutz wird durch sie geboten, und grundsätzlich muß man
Sie deshalb billigen.
Weit mehr Erfolg als in bezug auf die Höhe der Tarife ist für
das staatliche Eingreifen bezüglich der äuberen Gestaltung der Tarife
zu erwarten. Es läht sich wohl ermöglichen, dalß ein einheitlicher
Tarifaufbau von allen Bahngesellschaften eines Landes angenommen
wird, wie es z. B. in dem deutschen „Reformtarife“ noch vor dem ent-
entschlossenen Ubergange zum Staatsbahnwesen geschehen ist.
§* 2. Die ULernahme der PVerkehrsmittel in die öhenfliche Ter-