Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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6. Recht der Oberaufsicht. Der älteren Staatsrechtslehre 
mit ihrer Teilung der Gewalten machte auch die spystematische 
Stellung des Oberaufsichtsrechts große Schwierigkeiten. Bisweilen 
reihte man es als fünfte „Gewalt“ den drei hergebrachten und 
dem Organisationsrechte an. 
Das Oberaufsichtsrecht besteht in dem Rechte des Monarchen, 
von allen öffentlichen Vorgängen innerhalb des Staates Kenntnis 
zu nehmen. Dem entspricht die Verpflichtung der Behörden und 
öffentlichen Korporationen zur Berichterstattung. Damit ist das 
Oberaufsichtsrecht erschöpft. Die bemerkten Mängel können zu den 
verschiedensten Maßregeln Veranlassung geben, die aber ihrerseits 
nicht mehr zum Oberaufsichtsrechte gehören. 
Vielfach ist das Recht an Behörden delegiert, Zzum Teil auch 
gesetzlich näher bestimmt, wie z. B. seine Geltendmachung gegenüber 
den kommunalen Verbänden. 
II. Die Gesetzgebung. 
8 24. Die Geletzgebung überbaupt. 
Es gibt einen doppelten Begriff des Gesetzes, einen for- 
mellen und einen materiellen. Formell ist Gesetz der in beson- 
deren Formen zustande gekommene Staatsakt, materiell der Rechts- 
satz, insbesondere der von Staats wegen erlassene. Geschichtlich 
sind Anwendung und Verhältnis der beiden Gesetzesbegriffe sehr 
schwankend. 
Das römische Recht kennt nur den formellen Gesetzes- 
begriff. Gesetz ist danach jede Außerung und Willensbetätigung 
der höchsten Staatsgewalt. Das war in der republikanischen Zeit 
das souveräne Volk, daher: Lex est, qduod populus iubet atque 
„Constituit (L. 4 J. de iure naturali gentium et civili 1, 4). In 
der Kaiserzeit trat an die Stelle der Wille des Kaisers, da ver- 
möge der Fiktion der Lex regia das Volk alle Gewalt auf ihn 
übertragen hatte, daher: Quod principi placuit, legis habet 
vigorem (L. 1 pr. § 1 D. de constitutionibus principis 1, 4). 
Auf den Inhalt des Gesetzes kommt es nicht an, und es erweckt 
bisweilen nur den Anschein eines materiellen Gesetzes, wenn die
	        
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