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Unter das Herrschaftsgebiet der Gesetzgebung fielen danach die
alten gemeinen Rechte, die an deren Stelle getretenen allgemeinen
preußischen Gesetzbücher, deren Abänderung durch das Partikular-
recht und die besonderen Singularrechte der ständischen Rechts-
ordnung. Hauptsächlich handelte es sich dabei um das Privat-,
Straf= und Prozeßrecht, aber auch um wichtige Teile des Staats-
und Verwaltungsrechts, die in die preußische Gesetzgebung hinein-
gezogen waren. Die Grenze ist hier vielfach ziemlich willkürlich
(Vorbildung der Richter und höheren Verwaltungsbeamten Gegen-
stand der Gesetzgebung, die der Gymnasiallehrer, Baubeflissenen usw.
der Verordnung).
Die Gesetze mußten verkündet werden, um verbindlich zu
werden. In der seit 1810 bestehenden Gesetzsammlung wurden
aber auch andere wichtige Verordnungen aufgenommen, z. B.
die über die. Organisation des Heeres, die dadurch nicht Gesetze
wurden.
Indem die Vll. nur die Form der Gesetzgebung neu regelte,
beließ sie es hinsichtlich der Gegenstände grundsätzlich bei dem
bestehenden Zustande, dem § 7 Einl. zum ALR. Doch war in
Zukunft auch die Vll. selbst einer Abänderung nur in der Form
des Gesetzes, und zwar in erschwerten Formen überwiesen. Über-
dies verlangt sie in zahlreichen Einzelbestimmungen für diesen oder
jenen Gegenstand die Regelung durch Gesetz. Und endlich kann
die Regierung auch für einen Gegenstand, der an sich nicht in
das Gebiet der Gesetzgebung fallen würde, die gesetzliche Regelung
vorziehen und ihn damit nach der formellen Gesetzeskraft dauernd
der Gesetzgebung vorbehalten (Privatdozentengesetz, sog. Lex Arons,
vom 17. Juni 1898).
Es ergeben sich damit für Preußen folgende Gegenstände der
Gesetzgebung:
1. Das formelle Verfassungsrecht, d. h. die Verfassungs-
urkunde selbst und Verfassungsnovellen in den besonders erschwerten
Formen der Verfassungsgesetzgebung.
2. Rechtsnormen, durch welche die besonderen Rechte und
Pflichten der Bürger bestimmt oder die gemeinen Rechte ab-
cändert, ergänzt oder erklärt werden sollen. Gedeckt wird