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waren es früher sechs, später zwei Jahre. Derzeit überwiegt die
zwei= oder einjährige Finanzperiode für die Steuerbewilligung.
Dagegen führten in Brandenburg-Preußen die Bedürfnisse
des werdenden Großstaates im Kampfe mit den Ständen schon
zur Zeit des großen Kurfürsten zur vollständigen Beseitigung
des Steuerbewilligungsrechts. Nachdem das stehende Heer sich
als dauernde Notwendigkeit herausgestellt hatte, zieht man die ent-
sprechende Folgerung, daß die Befriedigung dauernder Bedürfnisse
nicht abhängig sein kann von periodischen freien Bewilligungen.
Wenn sich hier im Interesse einer geordneten Finanzwirtschaft
die Aufstellung von Etats als notwendig erwies, so konnten sie
nicht anknüpfen an das untergegangene ständische Steuerbewilli-
gungsrecht. Steuern wie sonstige Einnahmen beruhen vielmehr
auf ein= für allemal erlassenen Gesetzen. Der Ausgabeetat ist nur
eine Instruktion der Behörden, was sie ausgeben dürfen, und damit
die Grundlage der Rechnungskontrolle. Indem Friedrich Wilhelm I.
1714 die Generalrechenkammer begründete, wurde er auch der
Schöpfer des preußischen Etatswesens.
An diesem Charakter des Etats ist unter der absoluten Mon-
archie nichts geändert worden. Der Etat in seiner Gesamtheit ist
Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des künftigen Jahres,
der Ausgabeetat nicht Rechtsgrundlage der Ausgabe gegenüber
dem Publikum, sondern Instruktion der Behörden und Grund-
lage der Rechnungskontrolle. Auch die 1820 angeordnete Ver-
öffentlichung der Etats hatte keine rechtliche, sondern nur politische
Bedeutung.
Nun bestimmt Art. 99 der preußischen Vll., der Etat solle
künftig alljährlich im voraus durch Gesetz festgestellt werden. Da
man anfangs unter einem Gesetze im Sinne der konstitutionellen
Lehre Rechtssätze verstand, so erwuchs daraus die verwirrende Auf-
fassung, als ob auch das Etatsgesetz Rechtssätze enthalten müsse,
die Rechtsgrundlage der staatlichen Finanzwirtschaft bilde. Doch
gerade hier setzte der Umschwung ein. In dem Etatsgesetze erkannte
man nach den Erfahrungen des preußischen Verfassungskonflikts
das erste rein formelle Gesetz.
Nach den vorangegangenen Erörterungen über Wesen und