— 118 —
teile als unvereinbar erwiesen. Damit löst sich das Begnadigungs-
recht von seiner geschichtlichen Wurzel, der oberstrichterlichen Ge-
walt des Landesherrn, und wird zu einer besonderen Art des
Dispensationsrechts (in Preußen letztes sog. Konfirmationsdekret bei
einem Todesurteile 1878).
Dagegen bietet ihrem Inhalte nach die richterliche Gewalt
keine besondere Richtung der Staatstätigkeit dar. In dem
Erlasse von Rechtsnormen und von tatsächlichen Anordnungen er-
schöpfen sich die staatsrechtlichen Typen der staatlichen Wirksamkeit
überhaupt. Die richterlichen Entscheidungen sind tatsächliche An-
ordnungen. Wodurch die richterliche Tätigkeit sich aus der anderer
Staatsorgane heraushebt, ist nur die formelle Seite, die ver-
fassungsrechtliche Unabhängigkeit gegenüber dem Monarchen, die
verwaltungsrechtliche gegenüber den Organen der Justizaufsicht und
die besondere prozeßrechtliche Form unter Anhörung und Mit-
wirkung der Parteien, worin sich das Verfahren abspielt.
Das ursprüngliche Gebiet der Rechtsprechung war die An-
wendung des Privatrechts in der Form des Zivilprozesses, die des
Strafrechts in der Form des Strafprozesses, dazu einige Ver-
waltungssachen, die nach geschichtlicher ÜUberlieferung von den Ge-
richten in richterlicher Unabhängigkeit als freiwillige Gerichtsbar-
keit erledigt wurden. Die Bezeichnung als Gerichtsbarkeit der
ordentlichen Gerichte erinnert daran, daß es sich um die ursprüng-
liche Regel handelt. Doch das Zusammenfallen von Recht und
Gericht, das bis in das Zeitalter der absoluten Monarchie gedauert
hat, ist längst verschwunden. Die Rechtsordnung hat sich über
das Gebiet des Privat-, Straf= und Prozeßrechts, den Forderungen
des Rechtsstaates entsprechend, ausgedehnt. Und zu der alten
Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte sind neue Zweige der
Rechtsprechung, z. B. der Verwaltungsrechtspflege, gekommen. Es
handelt sich um kein geschlossenes Gebiet, sondern die Zulässigkeit
des Rechtsweges bedarf der Prüfung im einzelnen Falle. Er-
fahrungsgemäß dehnt sich im konstitutionellen Staate, wie das Ge-
biet der Gesetzgebung auf Kosten der freien Regierung, so das der
Rechtsprechung auf Kosten der freien Verwaltung immer mehr aus.