Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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den Befugnis zu Verfassungsänderungen auch das Recht zu Erweite- 
rungen seiner Zuständigkeit hat, dem Reiche zustehen. Danach hätte 
allein das Reich die Souveränetät, die Einzelstaaten wären 
nicht souveräne Staaten, von Kommunalverbänden dadurch ver- 
schieden, daß ihre Gewalt nicht vom Reiche abgeleitet ist, und sie 
ein Gebiet unkontrollierbarer Staatsgewalt besitzen. 
Diese Auffassung übersieht, daß, wenn der Wille des Reiches 
sich auch nicht deckt mit dem der Einzelstaaten, sich doch anderer- 
seits die Willensbildung des Reiches nicht unabhängig von 
den Einzelstaaten vollzieht. Kein Verfassungsgesetz und demnach 
auch keine Erweiterung der Zuständigkeit des Reiches kann erfolgen 
gegen den Willen Preußens mit seinen 17 Stimmen im Bundes- 
rate. Kein Reservatrecht kann aufgehoben werden gegen den Willen 
des bevorrechteten Einzelstaates. Wo ist denn da die Kompetenz- 
Kompetenz und die Souveränetät? Und wo ein einzelner Staat 
eine Verfassungsänderung des Reiches nicht zu verhindern vermag, 
da können es wenigstens mehrere zusammen. 
Die Souveränetät ist eine Eigenschaft des Staates, abgeleitet 
aus der konkreten Betrachtung des Einheitsstaates, der alle Rechte 
der Staatsgewalt in sich vereinigt. Im Bundesstaate ist die Staats- 
gewalt zwischen Gesamtstaat und Einzelstaat gespalten. Der eine 
wie der andere allein betrachtet ist nur ein Torso. Erst beide ver- 
bunden erfüllen die Aufgaben des Staates schlechthin und bilden 
den Staat an sich. So geht es auch mit der Souveränetät. Das 
Reich kann seine Zuständigkeit nicht erweitern gegen den Willen 
Preußens, Preußen nicht gegen den Willen des Reiches. Aber was 
sie vereinzelt nicht können, vermögen sie zusammen. So hat auch 
weder das Reich noch der Cinzelstaat für sich allein die Sou- 
veränetät. Wohl aber haben sie diese beide zusammen. 
Das Reich ist also ein Bundesstaat, durch geschichtliche Er- 
eignisse entstanden, und hat die Souveränetät gemeinsam mit seinen 
Gliedstaaten. 
Welchen Charakter hat nun aber das Reich für sich betrachtet, 
unabhängig von seinen Gliedstaaten? Wer ist insbesondere Grund 
und Quelle der Staatsgewalt des Reiches? 
Das Reich ist jedenfalls nicht Monarchie im Sinne des
	        
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