Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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der Reichskanzler durch jedes andere preußische Mitglied vertreten 
lassen. Als gewöhnlicher Vertreter gilt der Staatssekretär im Reichs- 
amte des Innern. Im Falle der Behinderung Preußens ist es im 
Schlußprotokolle des Versailler Vertrages vom 23. November 1870 
als Recht der bayrischen Regierung anerkannt, daß ihr Vertreter 
den Vorsitz führt. Tatsächlich tritt das schon ein, wenn nur der 
gewöhnliche Vertreter des Reichskanzlers behindert ist. Erst im Falle 
der Behinderung Bayerns beginnt wieder das freie Substitutions- 
recht des Reichskanzlers. 
Der Bundesrat beschließt grundsätzlich mit Stimmenmehr- 
heit. Bei Angelegenheiten, die nicht dem ganzen Reiche gemein- 
sam sind, stimmen nur die beteiligten Staaten. Nicht vertretene 
oder nicht instruierte Stimmen werden nicht gezählt. Bei Stimmen- 
gleichheit gibt die Präsidialstimme, also Preußen, den Ausschlag. 
Eine qualifizierte Mehrheit ist erforderlich in folgenden Fällen: 
a) Verfassungsänderungen dürfen im Bundesrate nicht 14 Stimmen 
gegen sich haben, womit Preußen ein absolutes Veto hat; dagegen 
hat Elsaß-Lothringen bei Verfassungsänderungen überhaupt kein 
Stimmrecht; b) Gesetzesvorschläge über Militärwesen, Kriegsmarine, 
Zölle und indirekte Verbrauchsabgaben von Tabak, Bier, Brannt- 
wein, Salz und Rübenzucker unterliegen dem preußischen Veto, in 
Art. 5 schonend dahin ausgedrückt, daß die Stimme des Präsidiums 
den Ausschlag gibt, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der 
bestehenden Einrichtungen ausspricht. c) Rechte einzelner Bundes- 
staaten in ihrem Verhältnisse zur Gesamtheit, insbesondere sog. 
Reservatrechte, können nur mit Zustimmung des betreffenden Bundes- 
staates abgeändert werden, die Mehrheit entscheidet jedoch, ob ein 
Reservatrecht vorliegt (Art. 7, 5, 78 RV.). Die elsaß-lothringi- 
schen Stimmen werden nicht gezählt, wenn sie der Präsidialstimme 
Preußen die Mehrheit oder den Stichentscheid bei Stimmengleichheit 
verschaffen würden und ebenso wenig bei Verfassungsänderungen 
(Art. GCa R.). 
Zur Vorbereitung der Vorlagen dienen die Ausschüsse des 
Bundesrates. Solche bestehen für 1. Landheer und Festungen, 
2. Seewesen, 3. Zoll- und Steuerwesen, 4. Handel und Verkehr, 
5. Eisenbahnen, Post und Telegraphen, 6. Justizwesen, 7. Rech-
	        
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