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8 40. Das Railertum.
Das deutsche Kaisertum steht in keinem geschichtlichen Zu—
sammenhange mit dem römischen Kaisertume des alten Reiches,
wenn seine Begründung auch getragen wurde von der im deutschen
Volke lebenden Kaiseridee. Es ist vielmehr eine neue Schöpfung
und als solche das jüngste unter den drei verfassungsmäßigen Or-
ganen des Reichs, das sich nur allmählich, aber immer entschiedener
Geltung verschafft hat.
Die preußischen Reformpläne vom Frühjahre 1866 und der
dem verfassungsberatenden Reichstage vorgelegte Entwurf kannten
nur zwei Organe, den alten Bundestag oder Bundesrat, neben
den nunmehr eine Volksvertretung treten sollte. Außerdem gab es
Vorrechte des preußischen Staates und seines Königs im Bunde,
insbesondere das durch den preußischen Präsidialgesandten, den
Bundeskanzler, auszuübende Präsidium. Durch die Beschlüsse des
verfassungsberatenden Reichstags wurde der Bundeskanzler aus
einem preußischen Beamten zum leitenden Bundesminister. Das
wirkte aber gleichzeitig zurück auf die verfassungsrechtliche Stellung
dessen, dem der Bundeskanzler unterstellt war. Das Präsidium
wurde aus einem preußischen Vorrechte im Bunde verfassungs-
mäßiges Organ des Bundes.
Noch im norddeutschen Bunde waren die heutigen kaiser-
lichen Rechte verschiedenen rechtlichen Charakters. Das Präsidium
unter der verfassungsmäßigen Verantwortlichkeit des Bundeskanz-
lers handelnd, war Organ des Bundesstaates. Daneben hatte der
König von Preußen als solcher das Bundesfeldherrnamt und das
Oberkommando über die Marine. Erst die Reichsverfassung hat
alle drei in dem Kaisertume als verfassungsmäßigem Organe des
eiches zusammengefaßt und für diese auch die Kommandobefug-
nisse in Anspruch genommen. Die ursprüngliche Verschiedenheit
wirkt aber noch heute insofern fort, als der Kaiser nur bei Aus-
übung der Präsidialbefugnisse, nicht aber bei Ausübung der
Kommandogewalt an die ministerielle Gegenzeichnung gebunden ist.
Der Kaiser ist jedenfalls nicht Monarch im Sinne des
deutschen Landesstaatsrecht. Denn er vereinigt nicht alle
Rechte der Staatsgewalt in sich. Diese liegt vielmehr in der vom