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Kaiser verschiedenen Kollektivpersönlichkeit des Reiches. Der Kaiser
ist nur eins von mehreren verfassungsmäßigen Organen des Reiches,
leitet seine Stellung aus der Reichsverfassung ab und hat nur
diejenigen Rechte, die ihm Verfassung oder besondere Gesetze aus-
drücklich zuschreiben. Doch kann man den Kaiser, da die Monarchie
im Sinne des deutschen Landstaatsrechts nicht der einzige Typus
der Monarchie in der heutigen Kulturwelt ist, trotzdem als
Monarchen bezeichnen. Denn er gelangt, obwohl verfassungsmäßig
berufen, doch durch die Geburt, kraft eigenen Rechts zu seiner
Stellung als Organ eines von ihm verschiedenen Inhabers der
Staatsgewalt. Insofern liegt eine Analogie vor mit der parla-
mentarischen Monarchie im Staate der Volkssouveränetät nach
belgischem Typus, nur daß es im Reiche nicht die Gesamtheit der
Staatsangehörigen, sondern die Gesamtheit der Staaten ist, worin
die Staatsgewalt sich verkörpert.
Das deutsche Kaisertum ist untrennbar verbunden mit dem
preußischen. Königtume. Es bildet gewissermaßen dessen Zu-
behör. Dort richtet sich die Stellung des Kaisertums nicht nach
den Normen des preußischen, sondern des Reichsrechts.
Die allen deutschen Landesherren zustehende Unverantwort-
lichkeit und Unverletzlichkeit ist dem Könige von Preußen auch in
seiner Eigenschaft als deutscher Kaiser verblieben. Die Unverant-
wortlichkeit des Monarchen findet aber auch hier ihre Ergänzung
in der durch die ministerielle Gegenzeichnung begründeten Ver-
antwortlichkeit eines Ministers.
Die Gegenzeichnung ist geboten für alle Anordnungen und
Verfügungen des Kaisers (Art. 17 RV.), also nur für verfügende
Willenserklärungen, nicht für sonstige Außerungen, auch nicht für
Anweisungen an die obersten Reichsbehörden. Ausgenommen und
von der Notwendigkeit der Gegenzeichnung befreit sind Akte der
Kommandogewalt über Heer und Flotte. Denn die Gegenzeich-
nung wird nur erfordert für Ausübung der Befugnisse des Präsi-
diums, hierunter fällt aber die Kommandogewalt nicht.
Träger der Ministerverantwortlichkeit ist der Reichskanz=
ler als einziger Reichsminister. Nur für elsaß-lothringische Pro-
vinzialangelegenheiten wird er ersetzt durch den Statthalter (vgl. 850).