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wendig erachteten Vetorechte legte man deshalb damals dem Könige
von Preußen bei. Und das ist bei den späteren Redaktionen als
preußisches Sonderrecht stehen geblieben. Als solches würde es auch
neben einem kaiserlichen Sanktionsrechte noch Bedeutung haben,
da bei dem preußischen Rechte der Monarch nur im Bundesrate
und unter Verantwortlichkeit des preußischen Staatsministeriums
handeln kann.
Gleichzeitig mit der Ausfertigung ordnet der Kaiser die Ver-
kündigung des Reichsgesetzes an, wodurch dessen Verbindlichkeit
begründet wird.
Die Verkündigung erfolgt in einem Gesetzblatte. Dieses hieß
anfangs Gesetzblatt für den norddeutschen Bund (GBl.), nahm
nach dem Beitritte der süddeutschen Staaten für kurze Zeit die
Bezeichnung Gesetzblatt für den deutschen Bund und nach dessen
Namensveränderung Gesetzblatt für das Deutsche Reich (RG l.)
an. Die Verbindlichkeit beginnt, wenn das Gesetz nicht etwas
anderes bestimmt, 14 Tage nach Ausgabe des betreffenden Stückes
des Reichsgesetzblattes in Berlin (RV. Art. 2).
Die Verkündigung begründet die formelle Verbindlichkeit den
Reichsangehörigen gegenüber. Die Frage, ob auch ein rechts-
ungültiges Gesetz verbindlich werden kann, oder die des sog.
richterlichen Prüfungsrechts wird in der Reichsverfassung nicht
ausdrücklich erörtert. Aus dem Umstande, daß der Kaiser vor der
Ausfertigung zu prüfen hat, folgt nicht, daß eine Prüfung anderer
ausgeschlossen wäre. Dagegen führt die Reichsverfassung (Art. 2)
ausdrücklich die verbindliche Kraft auf die Verkündigung zurück.
Damit verbietet sich von selbst die Prüfung der Rechtsgültigkeit
des gehörig verkündeten Gesetzes.
Die Verkündigung hat aber auch die materielle Wirkung, daß
Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen (RV. Art. 2). Im
Gegensatze zu dem Grundsatze des alten Reiches: Stadtrecht bricht
Landrecht, Landrecht bricht gemeines Recht, wodurch die Auflösung
des gemeinen Rechts befördert wurde, hat das neue Reich den
Grundsatz: Reichsrecht bricht Landesrecht. Das gilt freilich
nur, soweit das Reichsrecht sich nicht selbst ausnahmsweise bloß
subsidiäre Geltung beilegt (Konfliktserhebung und Kompetenz-