Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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konflikt). Das Reichsrecht geht auch nur vor, es hebt das Landes- 
recht nicht auf. Dieses bleibt also latent vorhanden, bis es durch 
Landesrecht aufgehoben wird (Aufhebung des Landesprivatrechts 
durch das preuß. AG. zum BGB.; Frage, welche Wirkung die reichs- 
rechtliche Aufhebung des Jesuitengesetzes für das Landesrecht hat). 
Die Gegenstände der Gesetzgebung sind in der Reichs- 
verfassung nicht grundsätzlich bestimmt. Wenn Art. 4 die der 
Reichsgesetzgebung unterliegenden Angelegenheiten aufzählt, so soll 
damit nicht die Grenze zwischen Gesetzgebung und Regierung des 
Reiches, sondern für die Zuständigkeit des Reiches gegenüber dem 
Einzelstaate gezogen werden. 
Gegenstand der Gesetzgebung ist der Erlaß aller Rechts- 
normen von Reichs wegen. Indem die Reichsverfassung die Zu- 
ständigkeit des Reichs umgrenzt, nimmt sie für das Reich das Recht 
der Gesetzgebung in Anspruch. Wie alle verfassungsmäßige Be- 
tätigung des Reiches auf das Gesetz zurückgeht, können auch Rechts- 
normen des Reichs nur durch Gesetz oder auf Grund gesetzlicher 
Ermächtigung ergehen. 
Daneben sind aber außer der Rechtssatzung noch andere 
Gegenstände der Gesetzgebung überwiesen, wie Veränderungen des 
Bundesgebietes (RV. Art. 1), Feststellung der Friedenspräsenzstärke 
(Art. 60), der Reichshaushaltsetat (Art. 69) usw. 
Die Aufhebung eines Reichsgesetzes erfolgt nach der for- 
mellen Gesetzeskraft, abgesehen vom Gewohnheitsrechte, nur durch 
neues Reichsgesetz. Die teilweise Aufhebung durch Dispensation, 
Begnadigung, Privilegium und Suspension hat denselben Charakter 
wie im Landesstaatsrechte. 
Ein Notverordnungsrecht, d. h. die Möglichkeit, die formelle 
Gesetzeskraft im Wege der Verordnung zu durchbrechen, besteht für 
das Reich nicht. Da dadurch natürlich Notlagen, die ein sofortiges 
Eingreifen der Regierung notwendig machen, nicht ausgeschlossen 
sind, bleibt für solche Fälle nur das Indemnitätsverfahren. Die 
Anordnung wird unter formellem Rechtsbruche gegen das Gesetz 
vorläufig getroffen in der Erwartung, daß die gesetzgebenden 
Körperschaften die Notlage anerkennen und durch nachträgliche Ge- 
nehmigung den Rechtsbruch heilen werden. Das gilt namentlich
	        
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