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Die oberste Kommandogewalt steht über die gesamte Land-
macht des Reiches in Krieg und Frieden dem Kaiser zu (NV.
Art. 63 Abs. 1). Doch ist die einheitliche kaiserliche Kommando-
gewalt nicht folgerichtig durchgeführt, sondern wird von Aus-
nahmen durchbrochen.
Wäre die Kommandogewalt einheitlich, so müßte der Kaiser
auch die Organe zu bestimmen haben, die für ihn die Kommando-
gewalt ausüben, also das Offiziersernennungsrecht besitzen. Der
Kaiser ernennt aber verfassungsmäßig nur gewisse Offiziere, den
Höchstkommandierenden eines Kontingents, alle Offiziere, die
Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und alle Festungs-
kommandanten, hat auch bei Ernennung von Generalen und
Generalstellungen versehenden Offizieren seine Zustimmung zu er-
teilen. Für diese Stellen kann der Kaiser die Offiziere aus allen
Kontingenten mit oder ohne Beförderung entnehmen. In Sachsen
werden jedoch die kommandierenden Generale auf Vorschlag des
Königs von Sachsen ernannt, und sächsische Offiziere dürfen für
die vom Kaiser zu besetzenden Stellen nur mit Beförderung
entnommen werden. In Württemberg erfolgt die Ernennung des
Höchstkommandierenden durch den König von Württemberg nach
Zustimmung des Kaisers. Und die Ernennung von Festungs-
kommandanten wie die Entnahme von württembergischen Offizieren
darf der Kaiser nur nach vorherigem Vernehmen mit dem Könige
von Württemberg verfügen.
Im übrigen ist das Offiziersernennungsrecht verfassungsmäßig
Sache der Einzelstaaten (RV. Art. 66). Durch die Militärkonven-
tionen haben jedoch unter Anschluß ihrer Kontingente an das
preußische Heer sämtliche Einzelstaaten mit Ausnahme der drei
mittelstaatlichen Königreiche auf ihr Offiziersernennungsrecht zu-
gunsten des Königs von Preußen verzichtet, so daß die Offiziere
königlich preußische sind. Nur nach den Militärkonventionen mit
den beiden Mecklenburg und Hessen erhalten sie noch besondere
großherzogliche Patente und heißen großherzogliche Offiziere.
Die Kontingentsherren sind außerdem Chefs aller ihren
Gebieten angehörenden Truppenteile und genießen die damit ver-
bundenen Ehren. Sie können auch ihre Truppen foderzeit in-