Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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England hatte im 17. Jahrhundert wie der Kontinent eine 
Wehrpflicht in der mehr und mehr unbrauchbar werdenden Miliz, 
daneben ein geworbenes Söldnerheer. Die absolutistischen Ver- 
suche der Stuarts führen nun nach der Revolution von 1688 
dazu, daß der Bestand eines stehenden Heeres für verfassungs- 
widrig erklärt wird. Da man ein solches aber mit Rücksicht auf 
die politischen Verhältnisse nicht entbehren konnte, wurde der Re- 
gierung alljährlich durch Ausnahmegesetz der Unterhalt eines 
stehenden Heeres in bestimmter Höhe bewilligt. Gleichzeitig erhielt 
sie durch die Meutereiakte alljährlich die Ermächtigung, Militär- 
personen nach Kriegsrecht zu behandeln. Hierbei ist es bei dem 
zurückgebliebenen Zustande des englischen Heerwesens bis heute 
geblieben. 
Der Kontinent ist dagegen nicht bei dem geworbenen Söldner- 
heere des 17. Jahrhunderts stehen geblieben. Die Werbung ist schon 
im preußischen Kantonsysteme des 18. Jahrhunderts zum Teil ver- 
drängt durch eine Rekrutierung. Und im 19. Jahrhundert ist man 
unter grundsätzlicher Aufgabe der Werbung zur Ergänzung des 
Heeres durch die allgemeine Wehrpflicht übergegangen. Das Heer 
ist also bei uns nicht eine verfassungswidrige, alljährlich durch 
Ausnahmegesetz zu bewilligende Einrichtung, sondern eine verfassungs- 
mäßige zur Erfüllung der allgemeinen Wehrpflicht. Trotzdem hat 
das englische Vorbild verhängnisvoll gewirkt, namentlich während 
des preußischen Verfassungskonfliktes, und das wirkt zum Teil in 
der Reichsverfassung fort. 
Die Reichsverfassung (Art. 60) hatte zunächst eine übergangs- 
bestimmung, wonach die Friedenspräsenz auf ein Prozent der Be- 
völkerung von 1867 festgestellt wurde. Während dieser Übergangs- 
zeit wurde dem Kaiser ein Pauschquantum von 225 Tlrn. jährlich 
auf den Kopf der Friedensstärke zur Verfügung gestellt (RV. Art. 62). 
Für die Zukunft sollte die Friedenspräsenz durch Reichs- 
gesetz festgestellt werden (RV. Art. 60). Die Regierung verlangte 
nun ein dauerndes Gesetz, der Reichstag eine jährliche Feststellung 
in der Erwartung, bei Gelegenheit den Bestand herabsetzen zu 
können. Schließlich einigte man sich in dem Gesetze vom 2. Mai 
1874 auf eine siebenjährige Feststellung (Septennat). Bei dieser
	        
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