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auch nicht abweicht. Der antike Staat betätigt sich daher wesent—
lich als politische Macht im Kampfe nach außen. Daneben voll-
zieht sich, befördert durch die Sklaverei, im inneren eine soziale
und nationale Zersetzung, an der der antike Staat schließlich zu—
grunde gegangen ist. Der Sieg der Monarchie seit Caesar hat diese
Entwicklung nur noch aufhalten, aber nicht mehr hemmen können.
Ganz anders ist der Ausgangspunkt der germanischen Staats-
bildung. Das Selbstbewußtsein des Individuums und seiner Er-
weiterung in Geschlecht und Sippe ist so stark ausgeprägt, daß
dem Staate nur eine äußerst ergänzende Stellung bleibt. Er hat
das militärische Gebiet, aber durchsetzt von der Gefolgschaft, und
einen notdürftigen Rechtsschutz, doch durchsetzt von Privatfehde.
Alle höheren Kulturaufgaben übernimmt, gestützt auf die Über-
lieferungen des römischen Beamtenstaates, die Kirche. Das hat die
Entwicklung des Staates einmal unterbunden, andererseits aber
auch entbehrlich gemacht. Die schwache weltliche Staatsgewalt
unterlag aber durch Feudalisierung und Patrimonialisierung der
obrigkeitlichen Rechte der Macht des Besitzes.
Das änderte sich erst seit der Reformation. Mit der Re-
naissance erwachte wieder der antike Staatsgedanke. Die Reformation
selbst überwies mit Einverleibung der Kirche in den Staat diesem
das weite Gebiet kirchlicher Tätigkeit, allerdings zunächst auch die
Pflege religiösen Lebens, aber auch alle höheren Kulturaufgaben.
Durch die ständische Reaktion noch einmal zurückgehalten, kommt
der neue Staatsgedanke mit dem 30 jährigen Kriege in Deutschland
zum Durchbruche. -
Ganz im Sinne der Antike betrachtet der Staat als politische
Macht sich wieder als Selbstzweck. Krieg ist daher wieder der
normale Zustand des 17. und 18. Jahrhunderts, in dem das neue
Staatensystem sich bildet. Das Ständetum wird nur soweit zurück—
gedrängt, als es mit dem Staate als Machtfaktor unvereinbar ist,
in der Verfassung, der ganze soziale Organismus des Ständetums
bleibt aber bestehen. Der Staat entfaltet im Merkantilsysteme eine
Fürsorge nach innen nur, soweit ein Machtfaktor, die Steuerfähig-
keit der Untertanen, in Betracht kommt. Das ist es, was den
Polizeistaat schließlich verhaßt macht.