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Klassen, der Großbetrieb auf Kosten des Kleinbetriebes, der Unter-
nehmer auf Kosten der Arbeiter, der Grundbesitz auf Kosten von
Handel und Gewerbe, der Handel auf Kosten von Grundbesitz und
Gewerbe usw. Das gesellschaftliche Leben spielt sich ab im Kampfe
um stete Erweiterung der Macht. Solche kann nur erfolgen auf
Kosten und daher zum Nachteile anderer Klassen. Diese lassen
sich eine solche Benachteiligung natürlich nicht gutwillig gefallen,
sondern setzen sich zur Wehre. Aber nicht nur das, sie suchen die
Abhängigkeit, in der sie sich schon befinden, zu lockern und die
soziale Freiheit zu erringen und, wenn sie dies erreicht haben,
wiederum andere zu unterdrücken. Die Gesellschaft ist also ihrem
Wesen nach erfüllt von einem Kampfe aller gegen alle, nur daß
es nicht einzelne Individuen, sondern durch gemeinsame Interessen
verbundene Gruppen von Individuen sind, die gegen andere In-
teressenten kämpfen.
Und doch ist die Gesellschaft ein einheitlicher Organismus,
dessen Glieder aufeinander angewiesen sind. Leidet ein Glied
dieses Organismus, so wird dadurch das Ganze in Mitleidenschaft
gezogen. Die Glieder, deren Lebensprinzip der Kampf gegenein-
ander ist, müssen doch wieder miteinander auskommen. Gesunder
sozialer Egoismus rät daher von Anfang an, das Maß nicht zu
überspannen. Denn selbst im Falle des Sieges ist die Reaktion
der Besiegten zu fürchten. Das soziale Gleichgewicht der Kräfte
läßt es überdies vielfach zu einem vollen Siege des einen Teiles
über den anderen nicht kommen. So kann schon in den sozialen
Machtfaktoren selbst ein Ausgleich liegen. Die Einheitlichkeit des
sozialen Organismus bleibt trotz aller Klassengegensätze bestehen.
Die Gesellschaft, obgleich kein rechtlicher, sondern ein volks-
wirtschaftlicher Organismus, bildet in sich selbst doch eine Rechts-
ordnung heraus. Das ist das Gewohnheitsrecht. Sobald die
Gesellschaft jene Stabilisierung erzielt hat, welche die Voraus-
setzung der Rechtsordnung ist, entsteht die Überzeugung nicht bloß
der tatsächlichen, sondern auch der rechtlichen Notwendigkeit dessen, was
man übt. Das Gewohnheitsrecht, auf dem Boden der Gesellschaft
erwachsen, ist daher soziales Machtrecht und den gesellschaftlich
Schwachen ungünstig. Mit dem Gewohnheitsrechte greift die Gesell-