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Welche Stellung ergibt sich nun daraus für den Regenten?
Er ist nicht Herrscher. Denn das Herrscherrecht ist dem regie—
rungsunfähigen Monarchen verblieben. Er ist aber auch nicht
Untertan. Denn nicht dem ruhenden Herrscherrechte, sondern der
lebendigen Betätigung der Herrschaft ist der einzelne unter—
geben. Der Regent bildet vielmehr mit dem Monarchen staats-
rechtlich eine Person. Wie der Unvollkommenheit menschlichen
Lebens entsprechend die Staatspersönlichkeit des Monarchen sich
in verschiedenen physischen Personen vermöge der Thronfolge fort-
setzt, so wird hier eine andere menschliche Unvollkommenheit da-
durch überbrückt, daß die Staatspersönlichkeit des Monarchen nach
Recht und Ausübung sich auf zwei verschiedene physische Personen
gleichzeitig verteilt. Mit Recht hat man daher die Regentschaft
als eine unvollkommene Art der Thronfolge bezeichnet (v. Gerber).
Der Regent teilt daher auch die monarchische Unverant-
wortlichkeit. In Preußen besteht dafür die Formel, der Regent
solle die Regierung führen in alleiniger Verantwortlichkeit gegen
Gott, d. h. in staatsrechtlicher Unverantwortlichkeit.
Die patrimoniale Regierungsvormundschaft stand im Anschlusse
an die durch die goldene Bulle für die Kurhäuser getroffenen Be-
stimmungen dem nächsten Agnaten zu. Nur vereinzelt hatte sich
in einzelnen Kleinstaaten mit dem Eindringen des römischen Rechts
auch eine vormundschaftliche Regierung der Mutter oder der väter-
lichen Großmutter vor dem nächsten Agnaten durchgesetzt. Der
moderne Parlamentarismus nach belgischem Vorbilde trägt da-
gegen die Neigung in sich, den Regenten durch die Volksvertretung
wählen zu lassen. Die deutschen Verfassungen nehmen im allge-
meinen eine vermittelnde Stellung ein, indem sie grundsätzlich an
der agnatischen Regentschaft festhalten, aber doch auch der Volks-
vertretung einen gewissen Einfluß einräumen und im Notfalle den
Regenten durch sie wählen lassen. Typisch sind in dieser Hinsicht
namentlich die Bestimmungen der preußischen Vll. Art. 56 ff.
Liegt der Fall der Regentschaft vor, so hat sie der nächste
regierungsfähige Aynat zu übernehmen. Er muß jedoch sofort
die Volksvertretung berufen, die in gemeinsamer Sitzung beider
Häuser über die Notwendigkeit der Regentschaft beschließt. Dieser