Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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einer Kammer eines zum Reiche gehörigen Staates darf außer 
der Versammlung, zu welcher das Mitglied gehört, wegen seiner 
Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufs getanen 
Außerung zur Verantwortung gezogen werden.“ 
Statt „Außerung“ enthielt für Preußen Art. 84 Vll. das 
Wort „Meinung“ und daran knüpfte sich in dem berühmten 
Prozesse Twesten 1866 die Streitfrage, ob unter Meinung nur 
die Abgabe eines Urteils oder auch die Behauptung von Tatsachen 
zu verstehen sei. Diese Streitfrage ist jetzt erledigt, denn Äuße- 
rung deckt beides. Trotzdem sind nicht alle Zweifel beseitigt. Ins- 
besondere fragt es sich, ob die Äußerung bloß das gesprochene 
Wort meint oder auch Tätlichkeiten. Als das vom Gesetzgeber 
Gewollte erscheint es, die Freiheit der Außerung im Sinne der 
bloßen Redefreiheit aufzufassen. 
Gedeckt werden nur Außerungen in Ausübung des parla- 
mentarischen Berufs, also im Plenum oder in den Abteilungen 
und Kommissionen. Nicht fallen hierunter Kandidatenreden oder 
Rechenschaftsberichte an die Wähler, da es sich um kein Mandat 
handelt. 
Ausgeschlossen ist jede strafrechtliche oder disziplinare Ver- 
antwortung. Stellung eines Beamten zur Disposition fällt for- 
mell nicht hierunter, ist aber gegen den Geist der Verfassung (Maß- 
regelung der Kanalgegner 1899). 
b) Freiheit von Strafverfolgung und Verhaftung. In 
dieser Beziehung sind die landesgesetzlichen Bestimmungen vor- 
behalten durch § 6 Nr. 1 Es. zur StpO. Die gewöhnliche 
Formel, z. B. nach Art. 84 der preußischen Vll. ist die, daß kein 
Mitglied eines der beiden Häuser ohne dessen Genehmigung während 
der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung 
zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden kann, außer wenn 
es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden 
Tages ergriffen wird. Strafverfahren oder Untersuchungshaft, 
die bereits bestanden, sind auf Antrag des betreffenden Hauses 
für die Dauer der Sitzungsperiode aufzuheben. Zweck ist lediglich 
Schutz der Mitglieder der Volksvertretung gegen tendenziöse Straf- 
verfolgung und Verhaftung. Nach feststehender Praxis wird aber
	        
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