Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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ander ab. Namentlich ist das in dem Verhältnisse der allbeherr- 
schenden Staatsgewalt und ihrer Untertanen unmöglich. Rechts- 
normen sind vielmehr abstrakt-hypothetische Anordnungen, die an 
einen abstrakt vorausgesetzten Tatbestand, so oft dieser im Leben 
eintritt, von der Staatsgewalt zu verwirklichende Rechtsfolgen an- 
knüpfen. Die Rechtsnorm braucht nicht allgemein zu ergehen, es 
ist auch eine solche für den einzelnen Fall denkbar, zumal wenn 
eine Rechtsnorm für den einzelnen Fall aufgehoben wird. Nach 
der konstitutionellen Lehre fällt der Erlaß aller Rechtsnormen von 
Staats wegen der Gesetzgebung anheim. Es wird später (8 26) 
nachzuweisen sein, daß das für das deutsche Landesstaatsrecht nicht 
zutrifft. Damit ergibt sich die Möglichkeit des Erlasses von Rechts- 
normen im Wege der landesherrlichen Verordnung. 
Solche Rechtsverordnungen sind in doppelter Hinsicht möglich. 
Sie können einmal vorkommen auf dem von der Gesetzgebung 
nicht in Anspruch genommenen Gebiete. Hier handelt es sich um 
selbständige Rechtsverordnungen, deren rechtliche Zulässigkeit 
trotz immer noch vereinzelt vorkommender Anfechtungen in der 
neueren Staatsrechtswissenschaft theoretisch wie praktisch über jeden 
Zweifel erhaben ist.') Freilich werden, rein statistisch genommen, 
selbständige Rechtsverordnungen im Vergleiche zu Gesetzen die Aus- 
nahme bilden, da der Erlaß der meisten Rechtssätze in das Gebiet 
der Gesetzgebung gehört.“) 
Rechtsverordnungen finden sich aber auch auf dem der Ge- 
setzgebung vorbehaltenen Gebiete, wenn das Gesetz den Erlaß 
neuer Rechtssätze einer Verordnung anheimgibt. Hierauf wird 
später unter Nr. 3 bei den Ausführungsverordnungen zurückzu- 
kommen sein. 
2. Tatsächliche Anordnungen ergehen nicht abstrakt-hypo- 
thetisch, sondern als unbedingte Gebote oder Verbote der Staats- 
gewalt allgemein oder für den einzelnen Fall. 
Allgemeiner Vorbehalt ist auch hier, daß der Erlaß der tat- 
*) Vgl. § 24 A. 2, wo die Streitfrage unter anderem Gesichtspunkte 
wiederkehrt. 
*F; Prisenverordnung vom 20. Juni 1864, Doktorverordnung vom 
7. April 1897.
	        
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