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Kapitel III. Der Rechtsschutz auf dem Gebiete
des Öffentlichen Rechts.
§ 23. Der Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte.
Die ordentlichen Gerichte üben in doppelter Richtung eine
Rechtskontrolle gegenüber der Verwaltung und gewähren daher
dem einzelnen im Verhältnisse zur Verwaltung individuellen Rechts-
schutz. Es kann einmal in einer Sache, die materiell zivilrechtlich
oder strafrechtlich ist, ein verwaltungsrechtlicher Inzidentpunkt hin-
einspielen, und es kann in den Formen des Zivil= oder Straspro-
zesses materiell über Verwaltungsrecht entschieden werden.
1. In eime Zivil= oder Strafsache können die mannigfachsten
verwaltungsrechtlichen Inzidentpunkte hineinspielen, so bei § 839
BGB., 8§ 110 113 StrGB. Das französische Recht zieht hier
die äußerste Folgerung aus seiner Lehre von der Teilung der Ge-
walten und bindet den Richter hinsichtlich des verwaltungsrecht-
lichen Inzidentpunktes an die Vorentscheidung der Verwaltungs-
behörde. Dagegen hat das deutsche Recht, das die Lehre von der
Teilung der Gewalten nie rezipiert hat, stets daran festgehalten,
daß das ordentliche Gericht auch über die staats= oder verwaltungs-
rechtlichen Obersätze seiner Entscheidungen nach eigenem Ermessen
zu befinden hat. Hieraus folgt aber als rechtspolitisches Ergebnis
ein entsprechender Rechtsschutz des einzelnen gegenüber der Ver-
waltung.
2. Das ordentliche Gericht kann aber auch, da formelles und
materielles Recht sich nicht vollständig decken, in den Formen des
Zivil- und Strafprozesses Verwaltungsrecht anwenden. Dabei
handelt es sich einmal um Reste der patrimonialstaatlichen Ent-
wicklung, die das Verwaltungsrecht überhaupt unter der privat-
rechtlichen Perspektive ansah, wie beim Fiskalrechte und dem wohl-
erworbenen Rechte, teils um neuere Bestrebungen nach verstärktem
individuellen Rechtsschutze vor Einführung der Verwaltungsgerichts-
barkeit, wie in dem preußischen Gesetze vom 24. Mai 1861 über
die Erweiterung des Rechtsweges.