Full text: Grundriß des Verwaltungsrechts in Preußen und dem Deutschen Reiche.

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Die Grundsätze der Schriftlichkeit und Mündlichkeit sind im 
Anschlusse an den bis 1879 bestehenden neupreußischen Zivil- 
prozeß gemischt. Der Prozeß ist schriftlich mit ergänzender 
mündlichen Verhandlung, und der Richter hat sowohl das zu be- 
rücksichtigen, was in den Akten steht, wie das, was mündlich vor- 
getragen wird. 
Die Hffentlichkeit für die mündliche Verhandlung greift in 
demselben Umfange Platz wie für andere Prozeßarten, kann also 
auch hier aus Gründen der Sittlichkeit und Ordnung ausgeschlossen 
werden. 
Anlaß zum Verwaltungsstreitverfahren gibt meist die Anordnung 
einer Behörde, wodurch sich jemand verletzt glaubt. Er erhebt 
daher Klage (binnen 14 Tagen), während die Behörde sich in der 
Beklagtenrolle befindet. Die Parteien sind dabei regelmäßig nicht 
materielle Parteien mit entgenstehenden subjektiven Rechten und 
Pflichten, sondern bloße Formalparteien. 
Die schriftlich einzureichende Klage enthält die Geschichtserzählung, 
den Rechtsgrund und den Antrag. Damit beginnt die Periode des 
Schriftenwechsels unter Leitung des Gerichtsvorsitzenden. Die 
Klage wird der Gegenpartei mitgeteilt, die eine Klagebeantwortung 
einreichen kann. Diese geht wieder dem Kläger zu, sodaß es zu 
Replik und Duplik kommen kann. 
Schon auf Grund der Klage, aber auch nach Eingang der 
Klagebeantwortung kann das Gericht, wenn nicht mündliche Ver- 
handlung ausdrücklich beantragt war, die Sache durch einen mit 
Gründen versehenen Bescheid erledigen. Gegen diesen Bescheid 
kann die Partei entweder mündliche Verhandlung beantragen oder 
das Rechtsmittel einlegen, das gegen das Endurteil zulässig wäre. 
Ergeht ein Bescheid nicht, so werden die Parteien von Amts- 
wegen zur mündlichen Verhandlung geladen unter der Ver- 
warnung, daß bei ihrem Nichterscheinen nach Lage der Akten ent- 
schieden werden würde. Auch die Beiladung Dritter, deren In- 
teresse durch die zu erlassende Entscheidung berührt wird, ist von 
Amtswegen oder auf Antrag zulässig. 
In der mündlichen Verhandlung können die Parteien per- 
sönlich oder durch bevollmächtigte Vertreter erscheinen. Auf An-
	        
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