Full text: Grundriß des Verwaltungsrechts in Preußen und dem Deutschen Reiche.

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§ 30. Einzelne Zweige der Polizei. 
Von einzelnen Zweigen der Polizei ist hier nicht in dem 
Sinne die Rede, als ob sie sich in solche auflösen ließe. Besteht 
die rechtliche Bedeutung der Polizei in den ihr zur Verfügung 
stehenden allgemeinen Ermächtigungsklauseln zum Erlasse von Ver- 
fügungen und Verordnungen, so sind doch diese Klauseln nur 
präsumtiv allgemeine. Sie greifen also nur insoweit Platz, als für 
einzelne Zweige nicht eine besondere gesetzliche Regelung statt- 
gefunden und damit die allgemeinen Klauseln des Polizeirechts 
außer Kraft gesetzt hat. Nur in diesem Sinne werden hier einzelne 
Zweige der Polizei besonders behandelt. 
1. Das Vereins= und Versammlungerecht unterliegt zwar 
nach Art. 4 Nr. 16 RV. der Gesetzgebung des Reiches. Es hatte 
aber von dieser Befugnis lange nur vereinzelt Gebrauch gemacht, 
indem es nach § 17 des Reichswahlgesetzes vom 31. Mai 1869 
unbeschadet der landesgesetzlichen Anzeigepflicht und ÜUberwachung 
den Wahlberechtigten für den Reichstag das Vereins= und Ver- 
sammlungsrecht in geschlossenen Räumen gab, und nach § 49 des 
Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 Militärpersonen einschließlich 
der Militärbeamten die Teilnahme an politischen Vereinen und 
Versammlungen verbot. Im übrigen blieb das Landesrecht maß- 
gebend, in Preußen Art. 29, 30 Vll. und die zu deren Aus- 
führung erlassene Verordnung vom 11. März 1850. 
Erst das Reichsvereinsgesetz vom 19. April 1908 hat ein 
einheitliches Vereinsrecht für ganz Deutschland geschaffen. 
Die Vereins= und Versammlungsfreiheit für Reichsangehörige 
findet danach in den Strafgesetzen und in den allgemeinen sicher- 
heitspolizeilichen Bestimmungen des Landesrechts ihre Schranke. 
Vereine, die den Strafgesetzen, zuwiderlaufen, können aufgelöst 
werden. Andere polizeiliche Einschränkungen sind nur zulässig, 
soweit das Reichsgesetz selbst sie vorsieht. Diese Einschränkungen 
beziehen sich im wesentlichen auf die politischen, d. h. eine Ein- 
wirkung auf den Staat bezweckenden Vereine und Versammlungen. 
Personen unter 18 Jahren dürfen sich daran nicht beteiligen. 
Politische Vereine müssen einen Vorstand und eine Satzung haben
	        
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