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Staates. Deshalb wurde unter Erhaltung des landesherrlichen
Kirchenregiments 1850 vorläufig für die oberste kirchliche Ver-
waltung an Stelle des Kultusministeriums der Evangelische Ober-
kirchenrat begründet.
Die Beschlüsse des vatikanischen Konzils führten dazu, in
der Gesetzgebung die Rechte des Staates gegenüber der Kirche
wieder schärfer zu betonen. Den Vorwurf der Verfassungswidrig-
keit beseitigte zunächst eine deklaratorische Bestimmung vom 5. April
1873, und endlich wurden durch die Verfassungsnovelle vom
18. Juni 1875 die Art. 15, 16 und 18 überhaupt aufgehoben.
Damit war für eine Regelung des Verhältnisses von Staat und
Kirche im Wege der Einzelgesetzgebung Raum geschaffen.
Die Einzelgesetzgebung bezog sich zum Teil auf alle Religions=
gemeinschaften, zum Teil auf mehrere von ihnen, zum Teil auf
die katholische Kirche allein. Sie beginnt 1873 mit einer orga-
nischen Gesetzgebung. Um den Widerstand der katholischen Kirche
zu brechen, ergingen dann Kampfgesetze, die von Anfang an nur
eine vorübergehende Bedeutung beanspruchten. Erst seit 1880
lenkte man zum Teil auf Grund vorheriger Verständigung mit
der Kurie ein zur Beseitigung der Härten durch Revisionsnovellen.
Indem sich bisweilen eine Revisionsnovelle in die andere schiebt,
bietet die kirchenpolitische Gesetzgebung ein höchst unübersichtliches
Bild dar. Doch hat man von einer kodifikatorischen Zusammen-
fassung Abstand genommen, um ein neues Aufrollen aller Streit-
fragen zu vermeiden.
Die Verfassung der evangelischen Kirche erfuhr einen weiteren
Ausbau durch die Ordnungen von 1873 und 1876. Das landes-
herrliche Kirchenregiment wurde erhalten, doch im übrigen die
evangelische Kirche zu einem besonderen, vom Staate verschiedenen
Organismus ausgebaut. In allen Stufen ihrer Organisation er-
hielt die Kirche neben den Trägern des landesherrlichen Kirchen-
regiments synodale Einrichtungen, wie sie in den westlichen Pro-
vinzen schon längst bestanden hatten. Damit gelangte man von
der konsistorialen zur gemischten Verfassung.
In den neuen Provinzen waren die dort bestehenden Landes-
kirchen selbständig geblieben, da man von der Vereinigung mit