Full text: Grundriß des Verwaltungsrechts in Preußen und dem Deutschen Reiche.

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waltungsbeamten Sache der Gesetzgebung, die der Gymnasiallehrer 
und Baubeflissenen Sache der Verordnung. 
2. Das Gewohnheitsrecht. Die Erfordernisse des Gewohn- 
heitsrechts sind die allgemein bekannten, wie sie durch die Arbeit 
der historischen Schule in mustergiltiger und allgemein anerkannter 
Weise festgestellt sind. 
Es ist erforderlich eine längere Übung, ein Herkommen, für 
das eine bestimmte Zeitdauer, etwa, wie man früher vielfach be- 
hauptete, im Anschlusse an die Verjährungsfristen, nicht vorge- 
schrieben ist. Das Herkommen ist aber mehr als eine bloße Sitte, 
es muß beruhen auf der Überzeugung, damit einem Rechtszwange 
zu gehorchen (opinio necessktatis). Das Gewohnheitsrecht bedarf 
allerdings wie alles Recht des schützenden Daches des Staates, 
der es durchführt. Doch es beruht nicht auf einer stillschweigenden. 
Zulassung des Staates, leitet den Rechtsgrund seiner Geltung nicht 
aus einer stillschweigenden Zulassung der Staatsgewalt ab. Viel- 
mehr geht es hervor aus der Volksüberzeugung. Das Volk ist 
aber, was die historische Schule übersah, keine einheitliche Masse, 
sondern zerklüftet in soziale Klassen, da alles Recht Machtausdruck 
ist, sind es die sozial mächtigen Klassen, die das Gewohnheitsrecht 
ausbilden. Das Gewohnheitsrecht ist daher soziales Machtrecht und 
deshalb regelmäßig ungerechter als das Gesetzesrecht. 
Von jeher bestritten ist die derogatorische Kraft des Ge- 
wohnheitsrechts. Das ALR. Einl. §§ 3, 4, Publ.-Pat. Nr. VII 
spricht künftig entstehendem Gewohnheitsrechte die derogatorische 
Kraft ausdrücklich ab. Diese für das Privat-, Straf= und Prozeß- 
recht durch die Wirksamkeit der Reichsgesetzgebung außer Kraft 
gesetzte Bestimmung hat für das Verwaltungsrecht noch heute 
formelle Geltung. Doch sie ist ohne praktische Bedeutung, da das. 
Verbot künftigen Entstehens einer Tatsache über die Macht des 
Gesetzgebers hinausgeht. So erkennt die Begründung einer Wege- 
ordnung von 1875 ausdrücklich an, daß trotz des landrechtlichen 
Verbotes derogatorisches Gewohnheitsrecht entstanden war. 
Das Rechtsbewußtsein der modernen Völker mit ihrer macht- 
vollen Staatsgewalt kommt vorwiegend in der Gesetzgebung zum 
Ausdrucke. Für die ausschließliche Herrschaft des Gewohnheits-
	        
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