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malige Reichsverbindung zum Gegenstande hatten, nicht aber auf das
gemeine Landesstaatsrecht. Das gemeine deutsche Staatsrecht blieb als
subsidiäre Rechtsquelle für alle deutschen Staaten bestehen.
Eine Ausnahme machte jedoch schon damals Preußen. Hier hatte
das gesamte materielle Recht einschließlich des Staatsrechts eine Kodi—
fikation erfahren durch das A. L.-R., welches nach dem Publikations—
patente vom b. Februar 1794 Nr. I an die Stelle aller bisherigen
subsidiarischen Rechteö) trat. In den meisten übrigen deutschen
Staaten konnte die Subsidiarität des gemeinen deutschen Staats-
rechtes keine Anerkennung mehr finden seit dem Uebergange dieser
Staaten zu dem sogenannten konstitutionellen Systeme. Die neuen
Verfassungen hatten meist den Charakter von Kodifikationen des Ver-
fassungsrechtes und der Hauptgrundsätze des Verwaltungsrechtes“).
Jede Kodifikation schließt aber das gemeine Recht als subsidiäre
Rechtsquelle aus. Aber auch abgesehen davon hätte das gemeine Recht,
welches auf den Grundsätzen der ständischen Rechtsordnung überhaupl
und insbesondere der ständischen Verfassung und patrimonialen Ver-
waltung beruhte, unmöglich subsidiäre Geltung in Staaten beanspruchen
können, welche zu dem auf entgegengesetzten Grundsätzen aufgebauten
konstitutionellen Systeme übergegangen waren.
Mit der Ausbreitung des konstitutionellen Systemes in Deutsch-
land und der damit Hand in Hand gehenden Kodifikation der Ver-
fassungen wurde das bisherige ständische System schließlich auf die
beiden Großherzogtümer Mecklenburg beschränkt, die verfassungsmäßig
unter sich eine Einheit bilden. Nur hier konnte das gemeine Recht
noch subsidiär gelten. War es aber auf einen einzigen Staat
5) Erwähnt wird nur das römische, gemeine Sachsen= und andere
fremde subsidiarische Rechte. Unter den „fremden“ sind aber nicht nur
das kanonische und lombardische Recht zu verstehen, sondern alle die-
jenigen Rechtsquellen, welche nicht von der preußischen Staatsgewalt aus-
gegangen sind, also auch das Reichsrecht. Es ergibt sich dies aus
dem weiteren Texte, wo nur noch von den prenßischen Gesetzen im
Gegensatze zu den fremden Rechten die Rede ist.
6) Die preußische Verfassungsurkunde hat, wie in Art. 109 aus-
drücklich ausgesprochen ist, den Charakter der Kondifikation nicht. In
Preußen beruht daher die Ausschließung des gemeinen Rechtes auf
dem A. L.-N., welches in verfassungsrechtlicher Beziehung im ganzen
Staatsgebiete gilt, und auf der Unvereinbarkeit der Grundsätze des ge-
meinen deutschen Staatsrechtes mit den heutigen Rechtszuständen.