Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

120 Allgemeine Lehren. 8 20 
unverkennbarer Abneigung gegenüber. Auch soweit sie nicht eine 
Verfassung nach konstitutioneller Schablone erstrebten, verwarfen sie 
doch den Absolutismus und wollten die Bildung landständischer Ver- 
tretungen. Diese Abneigung zeigt sich sogar in dem Sprachgebrauche, 
unter „Verfassung“ verstand man nur eine solche mit Volksvertretung, 
man wünschte, daß Preußen eine „Verfassung“ erhalte. 
Trotz dieser Unzufriedenheit mit den bestehenden Rechtszuständen 
hätte jedoch für die Rechtswissenschaft kein Grund vorgelegen, sie 
nicht zu behandeln. Hatte doch das deutsche Reichsslaatsrecht gerade, 
als die Rechtszustände des Reiches die anerkaunnt trostlosesten waren, 
gegen Ende des 18. Jahrhunderts, die höchste wissenschaftliche Blüte 
erreicht. 
Es kam noch ein zweiter Umstand hinzu, welcher die wissen 
schaftliche Behandlung geradezu unmöglich machte, die Ungewißheit. 
der bestehenden öffentlichen Rechtszustände. Die Wissenschaft des posi- 
tiven Rechtes verlangt ihrem inneren Wesen nach feststehende greifbare 
Rechtszustände. Das preußische Staatsrecht war jedoch in voller Ent- 
wicklung begriffen, es strebte aus dem Absolutismus heraus nach 
einer neuen Staatsform. Eine ständische Verfassung war seit 1810 
wiederholt verheißen, seit den zwanziger Jahren hatte man mitl 
deren Ausbau in den Kreisen und Provinzen begonnen, nur die 
Krönung und Vollendung des ganzen, die Landesvertretung, fehlte 
noch. Jede wissenschaftliche Behandlung des preußischen Staatsrechtes 
mußte naturgemäß warten, bis das neue Verfassungswerk vollendet 
war. Als dies nun endlich durch die Berufung des Vereinigten Land- 
tages im Jahre 1847 geschah, war es nicht von langer Dauer. Viel 
mehr hatten die Bewegungen des Jahres 1848 eine vollständige 
Neubildung der Verfassung auf wesentlich verschiedenen Grundlagen 
zur Folge. 
Die wissenschaftliche Behandlung des preußischen Staatsrechtes 
beschränkt sich daher bis zum Jahre 1848 im wesentlichen auf die 
Zusammenstellung und Sichtung des Materials, ohne daß es 
hinreichend verwertet wurde. Erwähnenswert und als Materialien- 
sammlungen noch jetzt vielfach brauchbar sind von diesen Werken: 
A. Mirus, Uebersichtliche Darstellung des preußischen Staats- 
rechts nebst einer Entwicklungsgeschichte der preußischen Monarchie, 
Berlin 1833.
	        
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