Full text: Preußisches Staatsrecht. Erster Band. (1)

6 #22 Staatsrechtliche Stellung des Königtums. 135 
die der König nicht überschreiten darf. Indem der König durch die 
von ihm erlassene Verfassungsurkunde die Formen seiner Willens- 
erklärungen als Staatspersönlichkeit feststellt, bestimmt er, daß nicht 
in diesen Formen abgegebene Willenserklärungen gar nicht seinen 
Willen als Staatspersönlichkeit darstellen. Jede verfassungswidrige 
Handlung des Königs ist nicht die Handlung des Königs als staats- 
rechtliche Persönlichkeit, sondern als Privatmann, für die er allerdings 
aus besonderen Gründen nicht verantwortlich gemacht werden kann. 
Das monarchische Königtum innerhalb verfassungsmäßiger Schranken 
erklärt sich also einzig und allein aus dem eigenen Willen des Königs. 
Es war vorhanden, ehe die jetzige geschriebene Verfassungsurkunde 
bestand, es kann auch diese selbst überdanern. 
Man könnte nun aber der Ansicht sein, wenn die verfassungs- 
mäßige Beschränkung auch der eigene Wille des die Beschränkung 
aufstellenden Königs sei, so sei doch sein Nachfolger nicht an diese 
Beschränkung gebundens). Dem steht jedoch entgegen, daß der Nach- 
solger staatsrechtlich keine andere Person ist als sein Vorgänger. 
durch den Regierungswechsel entsteht kein neuer Staat, sonst wärc 
ein den Rechtszusammenhang voraussetzendes Thronfolgerecht überhaupt 
unmöglich, sondern es findet eine Vereinigung zwischen der kurzen 
auer des menschlichen und der längeren Dauer des staatlichen Lebens 
dadurch statt, daß ein Mensch die Staatspersönlichkeit des anderen 
fortsetzt. Da der Nachfolger staatsrechtlich dieselbe Staatspersönlich- 
eeit ist wie sein Vorgänger, so ist jede Beschränkung des königlichen 
Willens durch gewisse Formen, dic der Vorgänger ausgesprochen hat, 
staatsrechtlich auch der eigene Wille des Nachfolgers. 
Person des Königs erklärt nun Art. 43 der Verfassungs- 
für * für unverletzlich. Darin liegt ausgesprochen, daß der König 
werd ine Handlungen nicht zur rechtlichen Verantwortung gezogen 
en kann. Soweit die Unverantwortlichkeit des Königs als solchen, 
7 als Herrschers innerhalb der verfassungsmäßigen Schranken, 
ein g prochen wird, ist der Grundsatz, ganz abgesehen davon, daß hier 
e rechtswidrige Handlung nicht vorliegen kann, selbstverständlich. 
enn die Verantwortlichkeit des Königs setzt eine ihm übergeordnete 
nove 6) Dies war die Auffassung des Königs Ernst August von Han- 
gän 44 als er bei seinem Regierungsantritte 1837 die von seinem Vor- 
ger erlassene Verfassungsurkunde aufhob. 
7) Vgl. die weiteren Ausführungen in 8 29.
	        
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