148 Das Verfassungsrecht. 824
zulässige Privatklage. Soweit der Staatsanwaltschaft das ausschließ-
liche Recht der Anklage zusteht, wird die Erfüllung der ihr obliegenden
gesetzlichen Verpflichtung auch gegen den Willen des Ministeriums
erzwungen durch das dem Verletzten zustehende Recht der Beschwerde
an das Oberlandesgericht bzw. das Reichsgericht (§ 170 St.-Pr.-O.).
Ueber die Vorfrage endlich, ob der Beamte, also auch der Minister,
sich einer Ueberschreitung seiner Amtsbefugnisse oder der Unterlassung
einer ihm obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht hat, entscheidet
ebenfalls ein Gerichtshof in richterlicher Unabhängigkeit).
Sollte sich daher ein Minister eine gesetzwidrige Handlungsweise
zu schulden kommen lassen, so genügen gegenwärtig die vorhandenen
gesetzlichen Bestimmungen vollständig, um ihn gleich anderen Beamten
zur strafrechtlichen Verantwortung zu ziehen. Eine Verurteilung im
Strafverfahren würde aber den Minister außer stand setzen, sein Amt
weiter zu bekleiden. Es braucht kaum daran erinnert zu werden, daß
bei den meisten Amtsvergehen auf Unfähigkeit zur Bekleidung von
öffentlichen Aemtern erkannt werden kann. Es würde schon moralisch
dem in einem unparteiischen Strafverfahren verurteilten Beamten zur
Unmöglichkeit werden, sein Amt weiter zu bekleiden, auch wenn die
Verurteilung nicht von Rechts wegen den Amtsverlust bewirkte, und
auch wenn daneben nicht im Disziplinarwege auf Amtsentsetzung er-
kannt würde. Ein besonderes Gesetz zur Regelung der Minister-
verantwortlichkeit ist hiernach seit Erlaß der Reichsjustizgesetze in jeder
Beziehung überflüssigs).
Der Erlaß eines solchen Gesetzes ist aber auch reichsgesetzlich
unmöglich. Das Gesetz sollte Bestimmungen treffen über die Fälle
der Verantwortllichkeit, das Verfahren und die Strafen, also das
materielle und das sormelle Strafrecht.
7) § 11 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsversfassungsgesetze.
8) Je mehr der Rechtsschutz gegenüber den mächtigeren und ein-
flußreicheren Personen versagt, um so dringender ist das Vedürfnis
nach einem Ministerverantwortlichkeitsgesetze. Ein solches steht daher auf
einer Linie mit dem Verbote der Zession von Jorderungen an einen
Mächtigeren, dem lorum miscrabilium personarum und dergleichen mehr.
Daß in England trotz der Unabhängigkeit der Justiz noch die besondere
Ministerverantwortlichkeit besteht, erklärt sich daraus, daß gegenüber den
höchsten Räten der Krone zur Vermeidung vexatorischer Klagen aus
ihrer Amtsführung der ordentliche Rechtsweg ausgeschlossen ist.