E Rechtliches Wesen der Thronfolge. 167
Ausgangspunkt des Thronfolgerechtes ist jetzt nicht mehr die
Unteilbarkeit des Staatsgebietes. Diese bedarf keiner gesetzlichen Fest-
stellung mehr, sie solgt schon aus dem Begriffe des Staates als eines
einheitlichen. Jeder Einheitsstaat, und ein solcher ist die preußische
Monarchie seit Anfang des 12. Jahrhunderts, ist ungeteilt und unteil-
bar5). Auch die Unveräußerlichkeit des Staatsgebietes hat mit dem
Thronfolgerechte nichts mehr zu tun. Die Veräußerung ist auch
sernerhin dem bloßen Gutdünken des Herrschers entzogen, aber in den
Formen der Gesetzgebung ausdrücklich zugelassen. Losgelöst von den
aus privatrechtlichen Gesichtspunkten entwickelten Grundsätzen der
Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit des Staatsgebietes besteht jetzt
die Thronfolge als ein rein staatsrechtliches Rechtsinstitnt.
§ 28. Rechtliches Wesen der Thronfolget).
Aus den Anfängen des deutschen Thronfolgerechtes sind immer
noch einige Anklänge an das Privatrecht in die Gegenwart hinüber-
gekommen. Man spricht vom Thronerben, einem Erbfolgerechte, einer
Erbfolgeordnung, einer Erbmonarchie, einer Staatsverlassenschaft, als
wenn es sich um ein privatrechtliches Erbverhältnis handelte. Selbst
bei Anerkennung des staatsrechtlichen Charakters der Thronfolge be-
zeichnet man sie als ein dem Erbrechte analoges (H. Schulze), wohl
gar als ein privatrechtlich und staatsrechtlich gemischtes Verhältnis
(Zachariä) oder als Singularsukzession gleich der deutschen Stamm-
guts-, Lehen= oder Fideikommißfolge (Zöpfl). Die Thronfolge hat
jedoch gegenwärtig einen rein staatsrechtlichen Charakter. Sie muß
sich daher erklären lassen ohne Zuhilfenahme privatrechtlicher Begriffe
oder Analogien.
In der absoluten und konstitutionellen Monarchie geht im Gegen-
satze zur parlamentarischen Monarchie und zur Republik die Persön-
lichkeit und Gewalt des Staates in der des Monarchen auf. Mit
5) Vgl. 8 40.
1) Klüber § 212; Zachariä 88 79 ff.; Zöpf! 8 218; Gerber
88 29 ff.; G. Meyer 88 85 ff.; H. Schulze, Deutsches Staatsrecht,
Bd. 1, S. 208; v. Rönne-Zorn, Pr. St.-R., Bd. 1, S. 218 ff.;
v. Schulze, Pr. St.-N., Bd. 1, S. 172 ff.; v. Stengel, Pr. St.-R.,
S. 41 ff.; Pfeiffer, Ueber die Ordnung der Regierungsnachfolge in
den monarchischen Staaten des Deutschen Bundes, 2 Bände, Kassel 1826.