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Krankheit zu erstrecken, welche mit diesem Falle in unmittelbarem
Zusammenhange stehen.
In größeren oder sehr weitläufig gebauten Ortschaften würde es
jedoch zu Unzuträglichkeiten führen, wenn der beamtete Arzt nur das
erste Auftreten einer übertragbaren Krankheit in der ganzen Ort-
schaft ermitteln dürfte; denn in einer solchen Ortschaft kann eine
übertragbare Krankheit gleichzeitig in verschiedenen weit auseinander-
liegenden Teilen der Ortschaft auftreten, ohne daß der eine Ausbruch
mit dem oder den anderen in irgend einer Beziehung zu stehen
braucht. Würde die Krankheit nur an derjenigen Stelle, wo zufällig
ihr Ausbruch zuerst angezeigt wird, näher ermittelt, an den anderen
Stellen aber nicht, so würde das zu unberechenbaren Folgen führen
können. Deshalb bestimmt $S6 Abs. 2 R.G. ausdrücklich, daß in Ort-
schaften mit mehr als 10000 Einwohnern nach den Bestimmungen des
Abs. 1 auch dann zu verfahren ist, wenn Erkrankungs- oder Todes-
fälle in einem räumlich abgegrenzten Teile der Ortschaft, welcher
von der Krankheit bis dahin verschont geblieben war, vorkommen.
Die Begründung zu $S 6 R.G. sagt hierüber:
„im allgemeinen soll nach S6 Abs. 1 die Ermittelung durch den
beamteten Arzt nur stattfinden, wenn es sich um den ersten Ausbruch
der Seuche in einer Ortschaft handelt. Unter besonderen Umständen,
namentlich bei größeren Städten, genügt dies aber nicht. Hier können
die Entfernungen, in welchen mehrere Krankheitsfälle sich ereignen,
so groß, die örtlichen Bedingungen, unter welchen sie eintraten, so
verschieden, die Gefahren, welche die Fälle mit sich bringen, so un-
gleich sein, daß das Urteil des feststellenden Arztes in dem einen
Falle wenig oder keinen Anhalt für die Beurteilung der übrigen
Fälle bietet. Die Sachlage ist tatsächlich unter solchen Verhältnissen
nicht viel anders, als wenn die Seuche in zwei verschiedenen Ort-
schaften, die einander naheliegen, ausbricht. Solchen Verhältnissen
soll Abs. 2 des $ 6 Rechnung tragen. Die Voraussetzungen, unter welchen
er zur Anwendung zu bringen ıst, lassen sich im Gesetze nicht an-
geben, können vielmehr nur im Verwaltungsweg unter Berücksich-
tigung der örtlichen Verhältnisse festgestellt werden. Der Entwurf
geht davon aus, daß dies im voraus und allgemein für alle hier ın
Betracht kommenden Orte zu geschehen hat, so daß bei dem Auftreten
einer Seuche Polizeibehörde und Arzt ohne weiteres dıe Richtschnur
für ihr Verhalten finden.“
Diesen Erwägungen tragen die allgemeinen Ausführungsbestim-
mungen zu $ 6 P.G. in Ziff. 4 Rechnung.
Eine solche räumliche Abgrenzung ist in Preußen auf Anordnung
des Herrn Ministers der Medizinalangelegenheiten in allen Ortschaften
mit mehr als 10000 Einwohnern bereits im Frühjahr 1907 ein für
alle Male erfolgt.
Die Regierungspräsidenten und Landräte werden sich regelmäßig